Otto Schmidt Verlag


Ankauf „gebrauchter“ Lebensversicherungen begründet keinen Gewerbebetrieb

Erwirbt eine Anlagegesellschaft auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt „gebrauchte“ Lebensversicherungen, um die Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, ergibt sich ein ausreichendes Indiz für die Qualifikation der Tätigkeit als Gewerbebetrieb weder allein aus dem Anlagevolumen oder dem Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte noch aus der Einschaltung eines Vermittlers.

BFH v. 11.10.2012IVR 32/10

Die Klägerin (K), eine Anlagegesellschaft in der Rechtsform einer KG, erwarb im Jahr 2004 auf dem Zweitverwertungsmarkt für US-amerikanische Lebensversicherungen das wirtschaftliche Eigentum an Lebensversicherungsverträgen. K leistete die Versicherungsprämien und erhielt bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme ausgezahlt. Ein Weiterverkauf der von ihr wirtschaftlich erworbenen Versicherungsverträge fand nicht statt. K erklärte aus ihrer Tätigkeit negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das FA sah die Betätigung der K vielmehr als gewerblich an und erließ entsprechende Bescheide. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FA hatte die Einkünfte zu Unrecht als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert. Es besteht demnach auch keine Gewerbesteuerpflicht.

Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass eine zu würdigende Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.

Grenze zum Gewerbebetrieb: Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.

Abgrenzung der Vermögensverwaltung: Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird „die Vermögensverwaltung“ gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird letztlich negativ danach bestimmt, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht.

Gesamtbild maßgebend: Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen.

Gerichtsbekannte Auffassung: In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.

Bild des „Handelns“: Das Bild des „Handelns“ ist durch die Ausnutzung substanzieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der „Vermögenumschichtung“ im Rahmen privater Vermögensverwaltung durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten. Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen.

Bild des „gewerblichen Dienstleisters“: Das Bild des „gewerblichen Dienstleisters“ ist durch ein Tätigwerden für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde Rechnung geprägt. Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung im Regelfall darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird.

Rechtsfolgen: Zwischen Erwerb und Verwertung einer „gebrauchten“ Lebensversicherung ist die Tätigkeit des Erwerbers regelmäßig in gleicher Weise auf Fruchtziehung ausgelegt wie die des ursprünglichen Versicherungsnehmers. Eine gewerbliche Tätigkeit des Erwerbers kommt daher auch hier nur in Betracht, wenn sich dieser „wie ein Händler“ oder „Dienstleister“ verhält; auch hier ist das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend. Im Streitfall verwirklichte K diese Voraussetzungen nicht.

Beraterhinweis: Die gesetzlichen Regelungen über die Besteuerung der Leistungen aus Lebensversicherungen und der Gewinne aus ihrer Veräußerung sprechen gleichfalls dafür, dass der Zweiterwerb einer Lebensversicherung und die zeitlich spätere möglicherweise gewinnbringende Einziehung der Versicherungsleistung allein noch keine gewerbliche Tätigkeit begründen. Denn bis einschließlich des VZ 2008 waren derartige Veräußerungsvorgänge allenfalls als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. Dies verdeutlicht die Grundentscheidung des Gesetzgebers, derartige Vorgänge grundsätzlich dem privaten Bereich zuzuordnen. Die gleiche Grundentscheidung kommt in § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 zum Ausdruck. Denn diese Norm qualifiziert Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf eine Versicherungsleistung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Aufgabe der Verwaltungsmeinung: Der BFH bestätigt damit das Geschäftsmodell der Verwertung „gebrauchter“ Lebensversicherungen. Die bisherige Verwaltungsmeinung, die von einer gewerblichen Tätigkeit ausging, ist damit überholt (BMF v. 22.9.2005 - IV B 2 – S 2240 – 55/05, nv; OFD Frankfurt a.M. v. 28.5.2004 - S 2240 A – 32 – St II 2.02, DStR 2004, 1386, geändert durch Vfg. v. 4.2.2006 - S 2240 A - 32 - St II 2.02, DStR 2006, 1458 und OFD Hannover v. 9.6.2004 - S 2240 – 346 – StH 241, S 2240 – 176 – StO 221, FR 2004, 969).

Rechtslage ab Einführung der Abgeltungssteuer: Mit den Neuregelungen der §§ 20 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 Nr. 6 EStG im Rahmen der Einführung der Abgeltungssteuer hat dieses Geschäftsmodell des Ankaufs und späterer Einlösung „gebrauchter“ Lebensversicherungen erheblich an Attraktivität verloren.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2013 10:51

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