Otto Schmidt Verlag


Steuerfreiheit für Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB

Betreuer üben eine sonstige vermögensverwaltende Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus. Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB sind nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

BFH v. 17.10.2012VIII R 57/09

Der Kläger (K) bezog neben anderen Einkünften Aufwandsentschädigungen aus der Bestellung als Betreuer i.S.d. § 1896 BGB in zeitweise bis zu 42 Fällen durch das zuständige Amtsgericht (AG) bzw. in wenigen Fällen durch die Betreuten selbst. Im Übrigen leistete das AG für jede andere im Streitzeitraum von K betreute Person eine jährliche Aufwandsentschädigung i.S.d. §§ 1835a, 1908i BGB i.H.v. je 600 DM (2001) bzw. von je 312 € (2002 bis Juni 2004) bzw. von je 323 € ab Juli 2004. Die Zahlungen erfolgten aus dem Haushaltstitel "Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer". Das FA erfasste die nicht erklärten Aufwandsentschädigungen in Änderungsbescheiden als steuerbare Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG. Die Klage blieb erfoglos, da das FG gewerbliche Einkünfte bejahte und die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG versagte. Der BFH gab der Revision des K statt und hob die Änderungsbescheide auf.

Steuerbarkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG: Die Einnahmen des K aus seiner Betreuertätigkeit sind steuerbar, und zwar entsprechend der jüngeren Rechtsprechung des BFH als Einkünfte aus vermögensverwaltender Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Einnahmen aus der ehrenamtlich ausgeübten Betreuertätigkeit sind aber nach § 3 EStG steuerfrei.

Rechtslage ab 2011: Ab 2011 folgt die betraglich begrenzte Steuerfreiheit aus § 3 Nr. 26b EStG, wonach "Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB" einschließlich der anderen in § 3 Nr. 26 EStG genannten Einnahmen bis zum Freibetrag nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG steuerfrei sind.

Rechtslage vor 2011 – Maßgeblichkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG: Für die Jahre vor 2011 folgt die Steuerfreiheit aus § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG. Danach sind solche Bezüge steuerfrei, die aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlt werden und in den entsprechenden Normen als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als solche im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Hierauf kann sich K berufen. Diese Norm ist zwar vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden, aber nur soweit die Steuerfreiheit für Zulagen für Bundes- und Landesbeamte wegen dienstlicher Tätigkeit in Dienststellen der neuen Bundesländer gewährt wurde, da es sich bei diesen Zulagen nicht um Aufwandsentschädigungen, sondern um zusätzliche Einkünfte handelte. Für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, wird die Steuerfreiheit i.S.d. § 3 Nr. 12 EStG als verfassungskonform angesehen.

Begriff der Aufwandsentschädigung: Um solchen Aufwendungsersatz handelt es sich bei der Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB. Sie setzt voraus, dass dem Betreuer - dem Regelfall des § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend - kein Vergütungsanspruch zusteht und soll geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, und damit auch die Gerichte von einem entsprechenden Prüfungsaufwand entlasten.

Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG erfüllt: Die Bezüge des K aus seiner ehrenamtlichen Betreuungstätigkeit beruhen zunächst auf einer Festsetzung als Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz, nämlich § 1835a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1908i BGB, das den Anspruch je Jahr in genau bestimmter Höhe regelt.

Fehlende Bezeichnung als „Aufwandsentschädigung“ im Haushaltsplan bei gesetzlicher Grundlage unerheblich: Des Weiteren ist es für die Steuerfreiheit unerheblich, dass in dem für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung maßgeblichen Haushaltstitel des Haushaltsplans der Begriff "Aufwandsentschädigung" nicht verwendet wird. Dafür sprechen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG. Hiernach wird der Ausweis als „Aufwandsentschädigung“ im Haushaltsplan nur verlangt, wenn diese durch die Bundes- oder Landesregierung direkt festgesetzt wird, nicht aber, wenn sich der Anspruch direkt aus einem Bundes- oder Landesgesetz ergibt oder aus einer bundes- oder landesrechtlichen Ermächtigungsnorm. Die Auffassung des BMF, für alle der in § 3 Nr. 12 EStG genannten sechs Möglichkeiten sei gleichermaßen zusätzlich eine entsprechende Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan Voraussetzung für die Steuerfreiheit, folgt daher nicht zwingend aus dem Wortlaut und der Struktur der Regelung. Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem Zweck der Bindung an eine Ausweisung im Haushaltsplan und aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Mit dieser Auslegung weicht der BFH nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des BFH ab. Diese verlangt zwar u.a. den ausdrücklichen Ausweis als Aufwandsentschädigung im Haushaltstitel, aber nur in den Fällen, in denen ohne eine solche ausdrückliche Bezeichnung im Haushaltsplan keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine solche Zuordnung zu steuerfreien Aufwandserstattungen gegeben wäre. Entsprechendes gilt bei einer nur durch die Verwaltung beschlossenen "Aufwandsentschädigung“.

Abgrenzung zu anderen Zulagen: Hiernach bedarf es entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung keiner ausdrücklichen Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan, weil sich der streitige Aufwandsentschädigungsanspruch unmittelbar aus einem Bundesgesetz, nämlich § 1835a BGB ergibt, der keinen Vergütungsanspruch regelt, sondern ausschließlich in begrenztem Umfang geringfügige Aufwendungen pauschal ohne Nachweisaufwand abgelten soll. Auch die geringe Höhe der Aufwandsentschädigung begründet keinen Zweifel an deren Charakter als pauschalen Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenersatz. Andere öffentlich-rechtliche Zahlungen wie Ministerialzulagen und oberstgerichtliche Zulagen sollen dagegen nicht ausschließlich Sonderaufwand abgelten, können also keine Aufwandsentschädigungen sein.

Beraterhinweis: Der BFH widerspricht aufgrund zutreffender Auslegung des § 3 Nr. 12 EStG der Auffassung der Verwaltung, wonach die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen nur gegeben ist, wenn die bereitgestellten Mittel ausdrücklich im jeweiligen Haushaltsplan als solche für Aufwandsentschädigungen bezeichnet sind. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH nur erforderlich, wenn sie durch die Bundes- oder Landesregierung oder durch eine Verwaltungsbehörde direkt festgesetzt und gewährt werden. Im Streitfall ergab sich der pauschale Aufwendungsersatzanspruch aber direkt aus einem Bundesgesetz, so dass die fehlende Bezeichnung im Haushaltstitel als Aufwandsentschädigung unschädlich für die Steuerfreiheit ist.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.01.2013 11:41

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