Otto Schmidt Verlag


Mitunternehmerstellung der Komplementär-GmbH in einer Steuerberatungs-KG

Eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-KG mit einer GmbH als alleiniger Komplementärin erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das gilt auch dann, wenn die GmbH lediglich eine Haftungsvergütung erhält und am Vermögen und Gewinn der KG nicht teilhat.

BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10

Die Klägerin (K), eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft firmierte in den Rechtform einer GmbH & Co. KG. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet; die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin ist von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die GmbH ist weder am Kapital noch am Vermögen noch am erwirtschafteten Ergebnis der KG beteiligt; ihre Anteile werden zu 100% von der KG gehalten. Die GmbH erhält lediglich eine Haftungsprämie, tätigt keine Umsätze, tritt am Markt nicht als werbende Gesellschaft auf und hat in der Gesellschafterversammlung der KG kein Stimmrecht. Das FA beurteilte die Tätigkeit der K im Hinblick darauf, dass eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin der K ist, über den Gewerbesteuermessbetrag als gewerblich. Dagegen vertrat K die Auffassung, ihre Tätigkeit sei weder gewerblich geprägt noch durch eine Abfärbung infiziert, sondern als freiberuflich zu beurteilen. Die mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte als gewerbliche zu qualifizieren sind.

Voraussetzungen für eine freiberufliche Gesellschaft: Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S.d. § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden.

Kein schädliches Handeln: Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten. Das bedeutet zwangsläufig, dass jeder Gesellschafter als Steuerpflichtiger die Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person positiv erfüllen muss.

Beteiligung eines Berufsfremden: Der Beteiligung eines Berufsfremden gleichgestellt ist die mitunternehmerische Beteiligung einer Kapitalgesellschaft, und zwar unabhängig von der Qualifikation der anderen Gesellschafter und ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.

Besonderheit einer GmbH: Eine GmbH erzielt gem. § 8 Abs. 2 KStG in vollem Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb und kann aufgrund dessen keine freiberuflichen Einkünfte erzielen. Einkommensteuer- und gewerbesteuerrechtlich ist eine GmbH deshalb bei der Qualifikation der Tätigkeit einer Personengesellschaft als „berufsfremde“ Person zu werten.

Unschädliche Beteiligung: Die Beteiligung einer GmbH als Gesellschafter einer ansonsten freiberuflich tätigen Personengesellschaft kann bestenfalls dann unschädlich sein, wenn die GmbH nicht Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist.

Mitunternehmerstellung: Nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft ist auch Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen oder einer wirtschaftlich vergleichbaren Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt.

Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.

Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist dabei bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprechen.

Im Streitfall bejahte der BFH für die GmbH die Mitunternehmerstellung, da diese sowohl Mitunternehmerinitiative entfalten konnte als auch Mitunternehmerrisiko zu tragen hatte. Dabei ist das Haftungsrisiko allein aus Sicht der GmbH zu würdigen. Etwaige Ausschlüsse und Vereinbarungen im Innenverhältnis bleiben außen vor. Aufgrund der Mitunternehmerstellung der GmbH und der Sonderregelung, dass sie ausschließlich gewerbliche Einkünfte erzielt, ist damit ein Berufsfremder an der Freiberufler-KG beteiligt und die KG hat als Folge insgesamt gewerbliche Einkünfte.

Beraterhinweis: Der gesetzlich nicht näher erläuterte Begriff des Mitunternehmers ist keiner abschließenden Definition zugänglich. Daher können die entscheidenden Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (sog. Typusbegriff).

Abwägungen: Ein geringeres Initiativrecht kann deshalb z.B. durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden. Allerdings müssen dabei beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen.

Fehlende Mitunternehmerinitiative: Wären der Komplementär-GmbH im Urteilsfall vertraglich sämtliche Gesellschaftsrechte einschließlich Kontrollrechte entzogen worden, könnte es am Kriterium der Mitunternehmerinitiative fehlen. Damit würden nicht mehr beide Kriterien für eine Mitunternehmerstellung vorliegen. Der BFH hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Haftungsrisiko: Der BFH bestätigt die bereits mit Urteil v. 11.6.1985 BFH v. 11.6.1985 - VIII R 252/80, BStBl. II 1987, 33) zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, dass der persönlich haftende Gesellschafter in einer kapitalistisch organisierten Kommanditgesellschaft schon wegen des Haftungsrisikos als Mitunternehmer anzusehen ist und zwar selbst dann, wenn ihm kein Anteil am Kapital zusteht und er im Innenverhältnis von der Haftung freigestellt wird.

Grenzen der Freistellung von der Haftung: Trotz Freistellungserklärung und unabhängig von etwaigen Streitigkeiten über die Wirksamkeit der Freistellungserklärung bei Eintritt eines Haftungsfalls lässt sich ein Eintritt der Haftung – u.U. nach Ausfall der im Innenverhältnis vorrangig haftenden Kommanditisten – weder ganz noch teilweise ausschließen. Im Ergebnis könnte eine Inanspruchnahme einer Komplementär-GmbH im Haftungsfall daher zur Überschuldung und letztlich zur Liquidation der Gesellschaft führen.

Offene Frage: Der BFH hat aber leider ausdrücklich offen gelassen, ob bereits der bloße Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft als alleinige Komplementärin einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-KG fungiert, stets dazu führt, dass die KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.12.2012 10:35

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