Otto Schmidt Verlag


Säumniszuschläge aufgrund nur fiktiver Säumnis bei Scheckeinreichung

Die AO regelt generalisierend, wann eine durch Scheckeinreichung bewirkte Zahlung als entrichtet anzusehen ist; sie nimmt in Kauf, dass eine Zahlung mit unter als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl die Finanzbehörde bereits über den Zahlbetrag verfügen kann.

BFH v. 28.8.2012 – VII R 71/11

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin (K) einen Säumniszuschlag schuldet. K hat für ihr Unternehmen die vierteljährlich fällige Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2010 über rund 860 € abgegeben und dem beklagten FA über diesen Betrag einen Scheck ausgestellt, der dort am 8.11.2010 einging und am 10.11.2010 dem Konto der Finanzverwaltung gutgeschrieben wurde. Das FA hat einen Abrechnungsbescheid erlassen, wonach ein Säumniszuschlag von 8,50 € entstanden sei, weil gem. § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO die Zahlung als erst am 11.11.2010 entrichtet gelte, sie jedoch bereits am 10.11.2010 fällig gewesen sei. Das FG gab der erhobenen Klage statt. Es war der Meinung, es liege eine Gesetzeslücke vor, die es gebiete, die Dreitagesfiktion des § 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 AO in Bezug auf Säumniszuschläge in dem Sinn von "spätestens drei Tage " auszulegen, so dass kein Säumniszuschlag anfalle, wenn die tatsächliche Gutschrift des Scheckbetrags noch vor dem oder am Fälligkeitstag erfolge.

Der BFH gab der Revision des FA statt und wies die Klage ab.

Gesetzliche Voraussetzungen: Wird eine Steuer nicht zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von ein Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AO). Entrichtet im Sinne dieser Vorschrift ist eine Zahlung bei Hingabe oder Übersendung eines Schecks drei Tage nach dem Eingang desselben bei der Finanzbehörde (§ 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 AO).

Eindeutiger Wortlaut – keine Regelungslücke: Der Regelungsgehalt beider Vorschriften ist klar und eindeutig und deshalb nicht auslegungsfähig. § 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 AO stellt eine generalisierende Regelung dar, bei der der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen hat, dass eine Zahlung als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl die Finanzbehörde bereits über den Zahlungsbetrag verfügen kann. Eine einschränkende Auslegung, dass die Regelung nur eingreift, wenn die tatsächliche Zahlung später als am dritten Tag nach Scheckeinreichung bewirkt wird, scheidet aus. Die Fiktion des Zahlungszeitpunkts auch in Fällen einer früheren Scheckgutschrift ist vom Gesetzgeber genau so gewollt worden (s.a. BFH v. 13.12.2000 – X R 96/98, BStBl. II 2001, 274).

Ausweislich der durch § 240 Abs. 3 Satz 2 AO erfolgten Verknüpfung mit § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO scheidet auch die Annahme einer Regelungslücke aus.

Keine verfassungskonforme Auslegung: § 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 AO ist keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich und bedürftig. Der BFH lässt offen, ob es überhaupt die den Gerichten gesetzten Grenzen verfassungskonformer Auslegung wahren würde, eine klare und eindeutige Vorschrift im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot einschränkend auszulegen. Die Regelung vereinfacht die Erhebung etwa verwirkter Säumniszuschläge (auch der Zinsen), indem sie es ermöglicht, bereits bei Eingang des Schecks den für die Berechnung der Säumniszuschläge und Zinsen maßgeblichen Zeitpunkt zu erfassen. Der Finanzbehörde wird also nicht auferlegt, erst zu ermitteln, wann der betreffende Betrag von dem Kreditinstitut auf ihrem Konto gebucht worden ist. Eine solche Vereinfachungsregelung kann nicht als eine durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr gerechtfertigte generalisierende, die Verhältnisse des Einzelfalls zu Unrecht außer Betracht lassende Regelung verworfen werden. Fälle der fiktiven Säumnis betreffen zudem nur eine kleine Zahl von Zahlungsvorgängen. Von Verfassungs wegen kann von der Finanzbehörde nicht verlangt werden, ein entsprechendes, die fiktive Säumnis vermeidendes Datenverarbeitungsprogramm aufzulegen. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, ungeachtet des damit verbundenen Aufwands stets die gerechteste aller möglichen Lösungen eines Regelungsproblems zu finden und zu verwirklichen.

Beraterhinweis: Durch das JStG 2007 ist § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO dahingehend geändert worden, dass bei Hingabe/Übersendung von Schecks die Zahlung erst drei Tage nach Eingang als entrichtet gilt. Mit dieser Neuregelung ist der Tag des Geldeingangs nach hinten verlegt worden, um die bis dahin rechtliche Bevorzugung der Scheckzahlung auszugleichen; denn bis dahin war der Tag des Eingangs des Schecks maßgeblich (BT-Drucks. 16/2712, S. 81). Bereits in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass der Steuerpflichtige es ohne weiteres in der Hand hat, der Gefahr des Entstehens von Säumniszuschlägen trotz rechtzeitiger tatsächlicher Zahlung zu begegnen, indem er auf modernere Zahlungsverfahren übergeht. Die Hingabe eines Schecks stellt selbst noch keine Erfüllung der Zahlungsverpflichtung dar, sondern nur eine Leistung erfüllungshalber, die erst mit Einlösung des Schecks zur erfüllenden Zahlung wird (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 364 Rz. 10). Bei Scheckhingabe nach dem 31.12.2006 (Art. 97 § 6 EGAO) tritt die Tilgung nicht bereits bei Scheckhingabe, sondern nunmehr erst drei Tage nach Scheckeingang ein. Die nachteilige Wirkung der Regelung aufgrund fiktiver Säumnis betrifft nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Zahlungsvorgängen. Überdies wirkt sie sich keineswegs nur zulasten der Steuerpflichtigen aus, sondern kann sich umgekehrt auch zu Gunsten der Steuerpflichtigen auswirken. Die Beurteilung, dass sich die Regelung in den verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen für typisierende und generalisierende Regelungen hält, entspricht den in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben (vgl. z.B. BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 Rz. 38, m.w.N.).

Richter am BFH a.D. Dieter Steinhauff, München

Service: BFH v. 28.8.2012 – VII R 71/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.11.2012 16:40

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