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Aufteilungsmaßstab für Vorsteuerbeträge bei Gebäuden

Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL (jetzt Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL) ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten erlaubt, zum Zweck der Berechnung des Prorata-Satzes für den Abzug der Vorsteuern aus einem bestimmten Umsatz wie der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes vorrangig einen anderen Aufteilungsschlüssel als den in Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Umsatzschlüssel vorzuschreiben, vorausgesetzt, die herangezogene Methode gewährleistet eine präzisere Bestimmung dieses Prorata-Satzes.

EuGH v. 8.11.2012 C-511/10, BLC Baumarkt

BLC vermietete im Streitjahr ein Gebäude teilweise umsatzsteuerpflichtig und teilweise umsatzsteuerfrei. Aus der Errichtung des Gebäudes machte BLC im Streitjahr Vorsteuern geltend, die sie in Anwendung eines bestimmten Pro-rata-Satzes nach Maßgabe des Verhältnisses des Umsatzes aus steuerpflichtiger Vermietung zu den Umsätzen aus steuerfreier Vermietung (Umsatzmethode) ermittelte. Im Anschluss an eine Steuerprüfung vertrat das FA die Auffassung, nach § 15 Abs. 4 UStG sei der Betrag der abzugsfähigen Vorsteuer nach Maßgabe des Verhältnisses der Fläche zu berechnen, was im vorliegenden Fall zu einer Kürzung der abziehbaren Vorsteuer führte.

Dagegen erhob BLC Klage. Der BFH wollte im Anschluss vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen sei, dass es die Mitgliedstaaten ermächtige, für die Aufteilung der Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben.

Aufteilung bei gemischt genutzten Gegenständen: Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-RL legt die Regelung fest, die auf das Recht auf Vorsteuerabzug anwendbar ist, wenn sich die Mehrwertsteuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen bezieht, die vom Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht. In einem solchen Fall ist der Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der 6. EG-RL nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten – besteuerten – Umsätze entfällt. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug ist nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL auf der Grundlage eines Umsatzschlüssels zu ermitteln.

Ausnahme: Wie aus der Rechtsprechung des EuGH bereits hervorgeht, lässt Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL, der mit dem Wort „jedoch“ beginnt, allerdings Abweichungen vom Umsatzschlüssel zu, da er die Mitgliedstaaten ermächtigt, eine andere Methode zur Bestimmung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorzusehen.

Nationale Regelung gemeinschaftswidrig: Da diese Regelung als Ausnahmebestimmung anzusehen ist, haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen durch diese Bestimmung übertragenen Befugnisse die praktische Wirksamkeit und die Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es verstößt daher gegen die Sechste Richtlinie, wenn ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, Rechtsvorschriften wie die vom vorlegenden Gericht angeführten zu erlassen, die allgemein von der Regelung der Aufteilung an Hand des Umsatzschlüssels abweichen. Denn derartige Rechtsvorschriften stellen das Ziel der Sechsten Richtlinie in Frage, wonach die Pro-rata-Sätze des Steuerabzugs in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden müssen.

Abweichender Aufteilungsmaßstab im Einzelfall: Diese Auslegung entspricht im Übrigen dem Zweck von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL, dessen Bestimmungen für ganz bestimmte Fälle gelten soll, da sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeit des Steuerpflichtigen darauf abzielen, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zu präziseren Ergebnissen zu gelangen.

Art des abweichenden Aufteilungsmaßstab: Da die Sechste Richtlinie keine entsprechenden Hinweise enthält, ist es Sache der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des Unionsrechts und der o.g. Grundsätze, Methoden und Regeln für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs festzulegen. Die Sechste Richtlinie verbietet es somit nicht, dass die Mitgliedstaaten eine andere Aufteilungsmethode als die Umsatzmethode, namentlich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Flächenmethode, anwenden, vorausgesetzt, die herangezogene Methode gewährleistet eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs als die Bestimmung anhand der Umsatzmethode.

Beraterhinweis: Auf den ersten Blick scheint der EuGH die nationale Verwaltungsauffassung, dass bei Grundstücken die Vorsteueraufteilung originär anhand der Nutzflächen zu erfolgen hat, zu teilen (Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 4 UStAE). Denn der Flächenmaßstab dürfte bei Gebäuden regelmäßig präziser sein als der Umsatzsteuerschlüssel. Aus der Herangehensweise des EuGH lässt sich jedoch herleiten, dass die nationale Gesetzeslage in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, wonach der Umsatzschlüssel nur subsidiär als Aufteilungsmaßstab anzuwenden sein soll, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Denn der EuGH hält den Umsatzschlüssel für den „Grundfall“ und alle anderen Aufteilungsmethoden für „Ausnahmefälle“, welche nur dann eingreifen, wenn diese zu präziseren Ergebnissen führen   demnach genau umgekehrt wie das nationale Gesetz. Ob der vom EuGH verwendete Begriff „präziser“ mit den im UStG verwendeten Begriffen „sachgerecht“ und „wirtschaftlicher“ übereinstimmt, muss der BFH nun im weiteren Verfahren klären.

Dipl.-Finw. Thomas Meurer, Stolberg

Service: EuGH v. 8.11.2012 C-511/10, BLC Baumarkt

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.11.2012 14:22

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