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Automobilbranche: Arbeitnehmerrabatte als Lohnvorteil

Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei Arbeitnehmern keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn.

BFH v. 26.7.2012 – VI R 30/09
BFH v. 26.7.2012 – VI R 27/11

In den vom BFH entschiedenen Streitfällen hatten Arbeitnehmer von ihren als Fahrzeughersteller tätigen Arbeitgebern jeweils Neufahrzeuge zu Preisen erworben, die deutlich unter den sog. „Listenpreisen“ lagen. Die FÄ setzten einkommensteuerpflichtigen Arbeitslohn an, soweit die vom Arbeitgeber gewährten Rabatte die Hälfte der durchschnittlichen Händlerrabatte überstiegen. Dagegen wandten die Kläger ein, dass Lohn allenfalls insoweit vorliege, als der Arbeitgeberrabatt über das hinausgehe, was auch fremde Dritte als Rabatt erhielten.

Die Vorinstanz in dem Verfahren VI R 30/09 (FG Düsseldorf v. 30.4.2009 – 15 K 4357/08 E, EFG 2009, 1288) gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des FA blieb vor dem BFH erfolglos. Nach Ansicht des VI. Senats hat das FG bei der Ermittlung der Vorteile aus den verbilligt erworbenen Fahrzeugen die Rabatte, die auch Nichtarbeitnehmern beim Fahrzeugkauf gewährt werden, zu Recht als sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis ergebende und deshalb auch nicht der Einkommensteuer zu unterwerfende Vorteile beurteilt.

Die Vorinstanz in dem Verfahren VI R 27/11 (FG Baden-Württemberg v. 9.7.2010 – 5 K 1084/08, 5 K 1084/08) gab der Klage nur teilweise statt. Die Revision des Klägers hatte teilweise Erfolg.

Bisherige Verwaltungsregelung: In den Streitjahren 2000 bis 2005 ging die Finanzverwaltung davon aus, dass jedenfalls die unverbindlichen Preisempfehlungen der Automobilbranche nicht die Endpreise i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG darstellen. Denn schon seit 1996 setzte sie nach dem BMF-Schreiben v. 30.1.1996 (BMF v. 30.1.1996 - IV B 6-S 2334-24/96, BStBl. I 1996, 114) als Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG den Preis an, der sich ergibt, wenn 50 % des Preisnachlasses, der durchschnittlich beim Verkauf an fremde Letztverbraucher im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich gewährt wird, von dem empfohlenen Preis abgezogen werden. Seit 2009 nimmt die Verwaltung 80 % des Preisnachlasses vom Lohn aus (BMF v. 18.12.2009 - IV C 5 - S 2334/09/10006, BStBl. I 2010, 20).

Bisherige Rechtsprechung: Der BFH hatte bereits mit Urteil v. 1.2.2007 (BFH v. 1.2.2007 – VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898) zum Verhältnis der Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG gegenüber der nach § 8 Abs. 3 EStG entschieden. Danach ist Grundnorm der Bewertung § 8 Abs. 2 EStG, der in Übereinstimmung mit dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers erst dann und nur in der Höhe als geldwerten Vorteil erfasst, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt (BFH v. 17.8.2005 - IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71 und v. 4.5.2006 – VI R 28/05, BStBl. II 2006, 781). Denn nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Rabatt seinen Rechtsgrund nicht im Kaufvertrag, sondern in der arbeitsrechtlichen Beziehung hat, er mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis als Vorteil eingeräumt wurde und sich insoweit im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.

Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG: Erhält ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, gelten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Unter Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt sich der lohnsteuerrechtlich erhebliche, durch einen Personalrabatt veranlasste geldwerte Vorteil mithin nicht nach dem allgemeinen Marktpreis, sondern nach dem Endpreis, zu dem der Arbeitgeber die entsprechenden Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Das ist nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BFH der Angebotspreis. Beachten Sie: Dieser Angebotspreis ist nach bisheriger Rechtsprechung grundsätzlich der unabhängig von Rabattgewährungen nach der Preisangabenverordnung ausgewiesene Preis; dieser Grundsatz galt allerdings schon seit Einführung des § 8 Abs. 3 EStG nicht uneingeschränkt. An diesem Grundsatz hält der VI. Senat nicht mehr länger fest. Der angebotene Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG ist vielmehr derjenige, der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot des Händlers steht. Der angebotene Endpreis umfasst daher auch Rabatte.

Wahlrecht des Arbeitnehmers: Bezieht der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber hergestellte Waren, richtet sich die Rabattbesteuerung grundsätzlich nach § 8 Abs. 3 EStG. Dann greifen zwar zu Gunsten des Arbeitnehmers Vergünstigungen, nämlich ein Bewertungsabschlag i.H.v. 4% sowie zusätzlich ein Rabattfreibetrag. Grundlage dafür ist allerdings nicht der Marktpreis sondern der Endpreis des Arbeitgebers, also der Preis, zu dem der Arbeitgeber die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Weil dieser vom Arbeitgeber bestimmte Endpreis aber auch weit über den tatsächlichen Marktverhältnissen liegen kann, hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung das Recht, den geldwerten Vorteil nach § 8 Abs. 2 EStG bewerten zu lassen, dann allerdings ohne Bewertungsabschlag und ohne Rabattfreibetrag.

Beraterhinweis: Weitergehende Sonderrabatte für bestimmte Branchen, wie etwa beim Taxigewerbe, können nicht berücksichtigt werden. Etwas anderes kann gelten, wenn z.B. Sonderrabatte für Behinderte gewährt werden und der Steuerpflichtige die Voraussetzungen hierfür erfüllt.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 26.7.2012 – VI R 30/09, BFH v. 26.7.2012 – VI R 27/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.11.2012 11:22

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