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Ausnahmegenehmigung für die Tätigkeit als Vorstand einer Steuerberatungsgesellschaft für andere Personen als Steuerberater

Die für eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG erforderliche Voraussetzung einer "anderen Ausbildung als in einer der in § 36 genannten Fachrichtungen" bezieht sich nicht lediglich auf die in § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBerG genannten akademischen, sondern auf sämtliche Ausbildungen i.S.d. § 36 StBerG. Ein gelernter Bankkaufmann kann daher die für die Tätigkeit als Vorstand einer Steuerberatungsgesellschaft beantragte Ausnahmegenehmigung nicht beanspruchen, auch wenn er durch seine Ausbildung und die anschließende Tätigkeit in dem Ausbildungsberuf eine besondere Befähigung erworben hat.

BFH v. 18.9.2012 – VII R 45/11

Der Kläger (K) absolvierte in den Jahren 1991 bis 1993 eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war anschließend in verschiedenen Banken leitend tätig. Er nahm erfolgreich an einer Fortbildung zum Sparkassenbetriebswirt sowie an Fachlehrgängen teil. Er erfüllte die Voraussetzungen für den Nachweis der fachlichen Eignung für die Leitung eines Kreditinstituts. Seit 2001 ist er Finanzvorstand einer Vermögensverwaltung AG und war ab Mai 2006 zum Finanzvorstand einer weiteren Vermögensverwaltung AG berufen. Dieses Amt legte er jedoch nieder, nachdem diese AG die Bezeichnung "Steuerberatungsgesellschaft" in ihre Firma aufgenommen hatte. Um wieder in den Vorstand dieser inzwischen anerkannten Steuerberatungsgesellschaft berufen zu werden, beantragte er bei der beklagten Steuerberaterkammer eine Ausnahmegenehmigung gem. § 50 Abs. 3 StBerG. Dies lehnte die Steuerberaterkammer mit der Begründung ab, K habe keine andere Ausbildung als in einer der in § 36 StBerG genannten Fachrichtungen absolviert. Vielmehr erfülle er die Vorbildungsanforderungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG.
Der BFH bestätigte das klageabweisende Urteil des FG.

Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung: Voraussetzung für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG, dass die Mitglieder ihres Vorstands, die Geschäftsführer bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter Steuerberater sind. Neben Steuerberatern können auch die in § 50 Abs. 2 StBerG aufgeführten Personen die Steuerberatungsgesellschaft leiten. Von dieser Anerkennungsvoraussetzung kann die Steuerberaterkammer gem. § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG eine Ausnahme erteilen und genehmigen, dass neben Steuerberatern besonders befähigte Personen mit einer anderen Ausbildung als in einer der in § 36 StBerG genannten Fachrichtungen leitend tätig werden dürfen. Aus § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG folgt, dass die Genehmigung zu erteilen ist, also kein Ermessen eingeräumt ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: der Antragsteller verfügt über außerhalb einer in § 36 StBerG genannten Ausbildung erworbene besondere Befähigungen und ist persönlich zuverlässig. Die Genehmigung ist zu versagen, falls die besondere Befähigung durch eine Ausbildung bzw. anschließende Tätigkeit in einer der in § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG oder auch in § 36 Abs. 2 StBerG genannten Ausbildungen erworben worden ist. Die früher gegen diese Ausweitung auf § 36 Abs. 2 StBerG geäußerten Bedenken hält der BFH nicht mehr aufrecht.

Voraussetzung der besonderen Befähigung: Der BFH (BFH v. 13.6.1997 – VII R 101/96, BStBl. II 1997,549) hat der Gesetzesbegründung zu § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG entnommen, dass eine bereits abgeschlossene Ausbildung i.S.d. § 36 StBerG der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung dann nicht entgegensteht, wenn der Antragsteller daneben einen zusätzlichen anderen Ausbildungsgang abgeschlossen und dort seine besondere Befähigung erworben hat. Mit der Abschlussprüfung als Bankkaufmann erfüllt der Antragsteller nach Ablauf der vorgeschriebenen Zeit einer praktischen Tätigkeit gem. § 36 Abs. 3 StBerG jedoch die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG. Die Fortbildung zum Sparkassenbetriebswirt verschafft zwar vertiefte Kenntnisse in dem kaufmännischen Beruf, begründet indes keine "andere Ausbildung" i.S.d. § 50 Abs. 3 Satz 1 StBerG (ebenfalls FG Hamburg v. 3.9.2009 – 1 K 93/08, DStR 2010,192 mit zust. Anm. von Hund).

Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 12 GG: Der in § 50 und § 50a StBerG zum Ausdruck gekommene Grundsatz, dass eine Steuerberatungsgesellschaft von Steuerberatern verantwortlich zu führen ist, steht mit der verfassungsrechtlich nach Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit in Einklang. Der Gesetzgeber darf der Gefahr der Kommerzialisierung des Steuerberaterberufs und dem Einfluss gewerblicher Interessen auf die Steuerberatung vorbeugen, um den Steuerbürger vor einer unsachgemäßen, weil von sachwidrigen, insbesondere kommerziellen Interessen beeinflussen Steuerberatung zu schützen. Die in § 50 Abs. 3 StBerG enthaltene Ausnahmevorschrift hält sich im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und setzt die mit der Ausnahme verfolgten Ziele unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots und der Berufsfreiheit folgerichtig um. § 50 Abs. 3 StBerG soll Steuerberatungsgesellschaften ermöglichen, sich für die Tätigkeit den Sachverstand auch anderer Ausbildungen und Berufe nutzbar zu machen und andere Berufsträger in die Leitungsebene berufen zu können. Da diese Personen ihre im jeweiligen „anderen“ Ausbildungsgang oder Beruf erworbenen Befähigungen nicht durch Ablegung der Steuerberaterprüfung oder einer Prüfung für einen der in § 50 Abs. 2 StBerG genannten Berufe nachweisen können, musste auf die im Regelfall zu fordernde Voraussetzung für die Übernahme einer Leitungsfunktion verzichtet werden. Nach § 50 Abs. 3 StBerG genügt in diesen Fällen eine "besondere" Befähigung auf dem Gebiet der „anderen Ausbildung".

Beraterhinweis: Der Gesetzgeber wollte an dem Grundsatz festhalten, die Übernahme einer Leitungsfunktion in einer Steuerberatungsgesellschaft von der erfolgreichen Teilnahme an der Steuerberaterprüfung oder einer Prüfung für einen der in § 50 Abs. 2 StBerG genannten Berufe abhängig zu machen. Die Möglichkeit einer Ausnahme von dem in § 50 Abs. 1 und 2 StBerG normierten Grundsatz ist auf diejenigen Personen zu beschränken, die über besondere Befähigungen in einem Bereich verfügen, der nicht einem der in § 36 StBerG genannten Ausbildungsgänge entspricht. Hingegen ist die Ausnahmegenehmigung nicht auf solche Personen mit besonderen Befähigungen zu erstrecken, die in einer in § 36 StBerG genannten Fachrichtung erworben worden sind, ohne dass diese nach der jeweils absolvierten Ausbildung die an sich mögliche Steuerberaterprüfung ablegen. § 36 StBerG verlangt somit von denjenigen, die leitend in einer Steuerberatungsgesellschaft tätig werden wollen, im Regelfall die dafür notwendige Befähigung durch die erfolgreiche Ablegung der Steuerberaterprüfung oder einer derjenigen Prüfungen, die den Zugang zu den in § 50 Abs. 2 StBerG genannten Berufe ermöglichen, nachzuweisen und ggf. auch die gesetzlich geforderte praktische Tätigkeit abzuleisten.

Richter am BFH a.D. Dieter Steinhauff, München

Service: BFH v. 18.9.2012 – VII R 45/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.11.2012 12:22

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