Otto Schmidt Verlag


Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG scheidet die Aufdeckung der stillen Reserven im unentgeltlich übertragenen Mitunternehmeranteil auch dann aus, wenn ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück des Sonderbetriebsvermögens vorher bzw. zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen worden ist.

BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11

Die Klägerin (K), eine GmbH & Co. KG, betrieb ein Speditions- und Transportunternehmen. Alleiniger Kommanditist und alleiniger Eigentümer der Komplementär-GmbH war V, der ein in seinem Alleineigentum stehendes Betriebsgrundstück (Sonder-BV) der K vermietete. Im Oktober 2002 übertrug V 80 % seiner Anteile an der KG sowie die gesamten Anteile an der GmbH unentgeltlich auf seine Tochter. Im Anschluss gründete V im Dezember 2002 alleine eine zweite GmbH & Co. KG und übertrug auf diese das Grundstück (Sonder-BV der K). Zeitgleich übertrug V die restlichen KG-Anteile auf seine Tochter. V vertrat die Auffassung, dass sämtliche Übertragungen zum Buchwert erfolgen müssen. Das FA stimmte dem nur in Bezug auf die Übertragung des Grundstücks zu. Alle übrigen stillen Reserven seien wegen der Ausgliederung des Grundstücks aber zu versteuern. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Die Revision war hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragungen begründet. Das FG hatte zu Unrecht die unentgeltliche Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils im Oktober 2002 sowie des anschließenden verbliebenen ganzen Mitunternehmeranteils im Dezember 2002 als einen einheitlichen Vorgang behandelt. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG und § 6 Abs. 5 EStG lagen vielmehr vor, so dass zwingend die Buchwerte anzusetzen waren.

Mitunternehmeranteil: Anteil eines Mitunternehmers i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG ist der ganze Mitunternehmeranteil, der sich aus dem Anteil am Gesellschaftsvermögen sowie dem funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers zusammensetzt.

Buchwertübertragung: Zum Buchwert findet eine Anteilsübertragung demnach grundsätzlich nur dann statt, wenn neben dem Gesellschaftsanteil auch das gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden auf den Rechtsnachfolger in den Gesellschaftsanteil übertragen wird. Maßgebend dafür ist allerdings das Betriebsvermögen, das am Tag der Übertragung existiert.

Umfang der Wirtschaftsgüter: Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens, die zuvor entnommen oder veräußert worden sind, sind nicht mehr Bestandteil des Mitunternehmeranteils.

Schrittweise Übertragung: Wird funktional wesentliches Betriebsvermögen taggleich mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile an einen Dritten veräußert oder übertragen oder in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers überführt, liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG für eine Fortführung der Buchwerte grundsätzlich nicht vor.

Ausnahme: Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber dann zu machen, wenn die Übertragung auf den Dritten oder die Überführung in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert stattfindet.

Verhältnis von § 6 Abs. 3 EStG zu § 6 Abs. 5 EStG: Die Privilegierungen nach § 6 Abs. 5 EStG und § 6 Abs. 3 EStG stehen nach dem Wortlaut des Gesetzes gleichberechtigt nebeneinander. Ein Rangverhältnis ist weder ausdrücklich geregelt noch lässt es sich im Wege der Auslegung bestimmen.

Gleichzeitige Buchtransfers zulässig: Handelt es sich indes bei den Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3 EStG um zwei in ihrer zwingenden, kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zulassenden Anordnung von Rechtsfolgen gleichlautende übereinstimmende Gesetzesbefehle, die sich logisch nicht widersprechen, so sind diese bei gleichzeitigem Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich auch nebeneinander zu befolgen. Dies bedeutet, dass nach dem Gesetzeswortlaut auch gleichzeitige Buchwerttransfers nach § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG möglich sind. Bei gleichzeitiger Anwendung beider Normen kommt es auch nicht zur Kumulation von Steuervergünstigungen.

Beraterhinweis: Der BFH stellt klar, dass ein Buchwerttransfer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG für den unentgeltlichen Übergang eines Mitunternehmeranteils nunmehr grundsätzlich auch dann nicht ausgeschlossen wird, wenn ein ausgegliedertes Einzelwirtschaftsgut zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört hat. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der zu § 7 Abs. 1 EStDV a.F. ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, deren Folgerungen das BMF in seinem Schreiben vom 3.3.2005 (BMF v. 3.3.2005 - IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458) unter Bezug auf die Gesamtplanrechtsprechung für die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG zu beurteilende Übertragung eines gesamten Mitunternehmeranteils auch insoweit übernommen hat, als im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Mitunternehmeranteils wesentliches Sonderbetriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt bzw. übertragen wird. Im Übrigen findet die vom BMF vertretene Differenzierung (BMF v. 3.3.2005 - IV B 2 - S 2241 - 14/05, BStBl. I 2005, 458, BStBl. I 2005, 458 Rz. 7 und 8) hinsichtlich funktional wesentlichem und nicht wesentlichem Sonderbetriebsvermögen im Wortlaut des § 6 Abs. 5 EStG keine Stütze.

Eine einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG kommt bei allen Übertragungsvorgängen i.S.d. Norm nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der entsprechenden Sachgesamtheit und damit die Einkünfteerzielung des betreffenden Einzelunternehmers oder der Personengesellschaft durch Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern in einer Weise berührt würde, dass es wirtschaftlich zu einer Zerschlagung des Betriebs und damit im Ergebnis zu einer Betriebsaufgabe käme. In dieser Situation würde der Normzweck des § 6 Abs. 3 EStG, die Existenz der übertragenen Sachgesamtheit als Wirtschaftseinheit zu sichern, verfehlt.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.10.2012 16:26

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