Otto Schmidt Verlag


Abzug von Kinderbetreuungskosten bei Schwangerschaft der Mutter

Es ist verfassungsgemäß, den Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankung u.ä.) abhängig zu machen. Bei der Auswahl der maßgeblichen Gründe kommt dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, den er mit der im Streitjahr 2006 geltenden Rechtslage nicht überschritten hat.

BFH v. 5.7.2012 – III R 80/09

Im entschiedenen Fall wurde über die steuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen für eine Tagesmutter als Kinderbetreuungskosten gestritten. Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt berufstätig. Die Klägerin befand sich zunächst in der Berufsausbildung, die sie allerdings nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2004 unterbrach und die sie auch im Laufe des Streitjahres 2006 nicht wieder aufnahm. Im August dieses Jahres wurden die Kläger erneut Eltern. Das ältere Kind wurde u.a. in der Zeit der Schwangerschaft von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten hierfür machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das FA versagte die steuerliche Berücksichtigung dieser Aufwendungen. Die Vorinstanz (FG Hamburg v. 23.10.2009 – 6 K 123/09, StBW 2010, 99) wies die Klage zurück.

Auch das Revisionsverfahren blieb erfolglos. Da die Klägerin weder aus gesundheitlichen noch aus sonstigen (Erwerbstätigkeit u.ä.) Gründen an der persönlichen Betreuung ihres ältesten Kindes gehindert war, konnten die Kosten der Tagesmutter nach der gesetzlichen Konzeption nicht abgezogen werden. Nach Ansicht des III. Senats gebietet das Verfassungsrecht einen solchen Abzug nicht. Eine Vorlage an das BVerfG kam daher nicht in Betracht.

Rechtslage im Streitjahr 2006: Die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten war in den §§ 4f, 9 Abs. 5 Satz 1, 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG geregelt. Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines haushaltszugehörigen Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, konnten abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sich in Ausbildung befand, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank war (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG). Waren die Aufwendungen durch die Krankheit des Steuerpflichtigen bedingt, musste diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten bestanden haben, es sei denn, der Krankheitsfall trat unmittelbar im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung ein (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 EStG). Bei zusammenlebenden Eltern war der Abzug nur zulässig, wenn bei beiden Elternteilen die Voraussetzungen nach Satz 1 vorlagen oder ein Elternteil erwerbstätig war und der andere Elternteil sich in Ausbildung befand, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank war (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 EStG).

Gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt: Die persönlichen Abzugsvoraussetzungen lagen im Streitfall nur beim erwerbstätigen Kläger, nicht aber bei der Klägerin vor. Die Klägerin befand sich nicht mehr in Ausbildung, als sie diese nach der Geburt der ältesten Tochter unterbrach. Schon der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 EStG stellt mit der Formulierung „sich in Ausbildung befindet“ nicht auf ein formales Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Es tritt grundsätzlich dann eine Unterbrechung der Ausbildung ein, sobald es an Maßnahmen fehlt, die geeignet sind, dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen im Hinblick auf die Ausübung des angestrebten Berufs zu dienen. Nach der zum Berufsausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ergangenen Rechtsprechung befindet sich daher eine Person nicht in einer Ausbildung, wenn sie diese unterbricht, um ein eigenes Kind zu betreuen. Gesichtspunkte für eine abweichende Beurteilung im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG vermochte der III. Senat nicht zu erkennen. Beachten Sie: Die Schwangerschaft konnte nicht als Krankheit gewertet werden, weil es sich hierbei nicht um einen regelwidrigen körperlichen Zustand handelt. Treten während der Schwangerschaft gesundheitliche Komplikationen auf, dann ist der Krankheitsbegriff jedoch regelmäßig erfüllt. Davon konnte im Streitfall nach den Feststellungen des FG indes nicht ausgegangen werden.

Keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 33 EStG: Die Kläger haben aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine gem. § 3 Nr. 33 EStG vergleichbare Entlastung. Es ist sachlich vertretbar, diese Steuervergünstigung auf Arbeitnehmer zu beschränken. Arbeitnehmer sind typischerweise in der Festlegung ihrer Arbeitszeiten fremdbestimmt und von daher besonders auf die arbeitsbegleitende Betreuung ihrer Kinder angewiesen. Nach der konkreten Ausgestaltung der Norm werden außerdem nur zusätzliche Arbeitgeberleistungen begünstigt.

Beraterhinweis: Neue Rechtslage ab 2012: Die mit Wirkung vom VZ 2006 eingeführten und seit 2009 in § 9c EStG zusammengeführten Regelungen zum Abzug von erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten sind - unter Verringerung der Anspruchsvoraussetzungen - mit Wirkung ab dem VZ 2012 in den neuen § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG übernommen worden. Die Unterscheidung nach erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten entfällt. Auf die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen bei den steuerpflichtigen Eltern, wie z.B. Erwerbstätigkeit oder Ausbildung, kommt es nicht mehr an.
Aus diesem Grund können Betreuungskosten für Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1 EStG seit dem VZ 2012 ab Geburt des Kindes bis zur Vollendung seines 14. Lebensjahres berücksichtigt werden. Darüber hinaus können solche Aufwendungen für Kinder berücksichtigt werden, die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Das gilt auch für Kinder, die wegen einer vor dem 1.1.2007 in der Zeit ab Vollendung des 25. Lebensjahres und vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 52 Abs. 24a Satz 2 EStG). Beachten Sie: Das BMF hat sich zur Anwendung der Neuregelung mit Schreiben v. 14.3.2012 geäußert.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 5.7.2012 – III R 80/09

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.09.2012 13:26

zurück zur vorherigen Seite