Otto Schmidt Verlag


Kommunaler Kindergarten als Betrieb gewerblicher Art

Von einer Kommune betriebene Kindergärten sind unbeschadet des Rechtsanspruchs von Kindern ab dem vollendeten dritten Lebensjahr auf Förderung in Tageseinrichtungen nach § 24 SGB VIII keine Hoheitsbetriebe, sondern Betriebe gewerblicher Art.

BFH v. 12.7.2012 – I R 106/10

Die Klägerin (K), eine kreisfreie Stadt, unterhielt als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eigene Kindertagesstätten. Für den Besuch der kommunalen oder von freien Trägern der Jugendhilfe betriebenen Kindertagesstätten hatten die Eltern entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gestaffelte Beiträge zu entrichten, die die K durch Verwaltungsakt festsetzte. Das FA vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Kindertagesstätten um einen Betrieb gewerblicher Art handele und setzte eine Körperschaftsteuer im Wege der Schätzung fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. K unterhielt mit den Kindergärten einen Betrieb gewerblicher Art und keinen Hoheitsbetrieb. Das FG hat aber zum einen noch festzustellen, ob der Betrieb gewerblicher Art die Gemeinnützigkeitserfordernisse der §§ 51 ff. AO erfüllt und zum anderen die Höhe der Einkünfte zu ermitteln.

Grundsatz: Betriebe gewerblicher Art (BgA) sind alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind mit ihren BgA unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

Abgrenzung zu Hoheitsbetrieben: Zu den BgA gehören jedoch nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe). Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.

Ausnahme: Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet.

Beteiligung am Wettbewerb: Ausschlaggebend ist allein, dass die jeweiligen Kindergarten- und Kindertagesstättenbetreiber unter den entsprechenden fachlichen wie personellen Voraussetzungen tatsächlich wie potentiell in gleicher oder jedenfalls vergleichbarer Weise auftreten und ihr Angebot dem gleichen Kundekreis anbieten. Aus steuerlicher Sicht kann es deswegen auch keinen Unterschied machen, ob eine auch öffentliche Aufgabe in Gestalt eines Eigen- oder Regiebetriebs, eines BgA oder in einer privatrechtlichen Struktur wahrgenommen wird. Hier wie dort kommt es allein darauf an, ob die Aufgabenerfüllung einem öffentlichen Leistungserbringer eigentümlich ist, oder ob die Leistungen auch in einem wirtschaftlichen Wettbewerb erbracht werden können und werden.

Erhebung der Beiträge: Dass die Kindergartenbeiträge im Rahmen eines hoheitlichen Beitragserhebungsverfahrens durch Verwaltungsakt festgesetzt werden, ändert nichts daran, dass es sich um einen BgA handelt. Auch das Tatbestandsmerkmal „Einnahmeerzielungsabsicht“ wird dadurch erfüllt. Dies gilt auch für eine Staffelung der Beiträge nach sozialen Gesichtspunkten und Begrenzung nach Bedürftigkeit.

Sozialgesetzlicher Auftrag ohne rechtliche Bedeutung: Die dargestellte Rechtsauffassung ändert sich auch nicht durch den sich aus § 24 SGB VIII ergebenden sozialgesetzlichen Auftrag, wonach die Länder für ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen in Kindertagesstätten zu sorgen haben. Hierfür kommen alle Anbieter, nämlich sowohl öffentliche, kirchliche, freigemeinnützige als auch privat-gewerbliche, in Betracht. Die Wettbewerbssituation der Anbieter bleibt bestehen.

Beraterhinweis: Der BFH klärt dem Grunde nach, dass es sich bei den von Kommunen betriebenen Kindergärten und Kindertagesstätten um einen BgA und nicht um einen Hoheitsbetrieb handelt. Insoweit tritt die Kommune in einen wirtschaftlichen Wettbewerb zu kirchlichen oder privat-gewerblichen Anbietern.

Offene Frage: Im Besprechungsfall bleibt noch zu klären, ob die Kommune mit ihrem BgA Kindergärten/Kindertagesstätten die tatbestandlichen Erfordernisse der Gemeinnützigkeit gem. § 51 ff. AO erfüllt. Die Regelungen der Gemeinnützigkeit (§§ 51 ff. AO, § 52 Abs. 2 Nr. 4 und 7 AO) sind prinzipiell auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts und ihre BgA in Form von Kindergärten/Kindertagesstätten anwendbar.

Vermeidung der Körperschaftsteuerpflicht: Dies ist ein Ansatzpunkt, die Körperschaftsteuerpflicht zu verhindern. Zum anderen ist daran zu denken, dass nur ein positives Ergebnis eine Körperschaftsteuerzahllast nach sich zieht. Zu prüfen bliebe, ob Kindergärten/Kindertagesstätten tatsächlich Gewinne abwerfen oder nicht vielmehr Verluste einfahren.

Reichweite des Urteils: Die Entscheidung betrifft eine Stadt in Nordrhein-Westfalen. Die Grundsätze des Urteils sind aber in allen Bundesländern zu beachten. Schließlich ist geplant, den Förderungsanspruch vom 1.8.2013 an auf Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr an auszudehnen.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 12.7.2012 – I R 106/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.09.2012 15:03

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