Otto Schmidt Verlag


Teilpraxisveräußerung eines Steuerberaters

Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann auch vorliegen, wenn ein Steuerberater eine Beratungspraxis veräußert, die er neben anderen Praxen als völlig selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

BFH v. 26.6.2012 – VIII R 22/09

Der Kläger (K), ein Steuerberater, betrieb in den etwa 22 km entfernt liegenden Orten A und B jeweils eine Praxis. Außerdem eröffnete er im Ort C eine weitere Praxis. Im Streitjahr 1998 veräußerte K die Praxis in B und trug vor, dass es sich dabei im Wesentlichen um den historisch gewachsenen Mandantenstamm der Praxis in B gehandelt habe, den er bereits von seinem Vorgänger erworben habe. Im Praxisübertragungsvertrag verpflichtete sich K außerdem, innerhalb von vier Jahren nach dem Übertragungsvertrag weder in B noch in einem Umkreis von 20 km um B als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer tätig zu werden. K wurde aufgrund des Konkurrenzverbots vom Erwerber nicht in Anspruch genommen. Das FA vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, dass keine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung anzunehmen sei. Nach den Feststellungen der Prüfung hätten sich in den Praxen in A und B überschneidende örtliche Wirkungskreise ergeben. Die Praxen seien nicht organisatorisch ausreichend getrennt gewesen. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das FG hatte zu Unrecht die Einlassung des K unberücksichtigt gelassen, dass er zwei historisch gewachsene Betriebe übernommen und bis zur Veräußerung des einen unverändert fortgeführt habe. Sollte dies der Fall sein, kann eine begünstigte Teilbetriebsveräußerung vorliegen.

Grundsatz: Eine tarifbegünstigte Teilpraxisveräußerung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn entweder eine von mehreren verschiedenartigen Berufstätigkeiten aufgegeben wird oder – bei gleichartiger Tätigkeit – wenn die bisherige Tätigkeit in einer von mehreren räumlich und organisatorisch voneinander getrennten Tätigkeitsstätten vollständig eingestellt wird.

Ausnahme: Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung kann aber auch dann vorliegen, wenn ein Freiberufler, z.B. ein Steuerberater, eine Beratungspraxis veräußert, die er (neben anderen Praxen) als selbständigen Betrieb erworben und bis zu ihrer Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat.

Keine örtlich getrennten Bereiche erforderlich: Es kommt dann nicht entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt worden ist, vorausgesetzt die beim Erwerb zu bejahende Selbständigkeit der Büros ist beibehalten und nicht durch organisatorische, eingliedernde Maßnahmen aufgegeben worden. Maßgeblich ist insoweit eine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände.

Zuordnung der Mandate: Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Betrieb vom Erwerb bis zur Veräußerung völlig unverändert geblieben ist. Es genügt, wenn die Praxis im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. Dies setzt aber voraus, dass die erworbenen Mandate keinem anderen Büro zugeordnet und auch keine in anderem Zusammenhang erworbenen Mandate dem jeweiligen Büro zugeordnet werden, denn der Mandantenstamm ist die wesentliche Betriebsgrundlage des Freiberuflers, z.B. Steuerberaters.

Neue Mandate unschädlich: Dass zu den erworbenen Mandaten im Laufe der Jahre eventuell weitere Mandate hinzukommen, steht der Annahme der unveränderten Fortführung der erworbenen Praxis nicht entgegen, solange es sich um Mandate handelt, die aus räumlichen Gründen die jeweilige Praxis aufgesucht haben. Ein Mandantenstamm ist keine statische, sondern eine sich stets verändernde Gesamtheit, was Zu- und Abgänge mit einschließt.

Freie Kapazitäten ausnutzen ist unschädlich: Die Nutzung freier Kapazitäten in einzelnen Büros durch Verlagerung von Tätigkeiten bewirkt für sich genommen auch keine organisatorische Integration bei ansonsten streng voneinander getrennt geführten Betriebsteilen. Durch die Erledigung solcher zusätzlicher Aufgaben wird insbesondere die im Ausgangspunkt anzunehmende Selbständigkeit einer Praxis nicht in Frage gestellt.

Bedeutung der räumlichen Nähe: Entscheidend ist, ob der einzelne Mandant aufgrund seiner räumlichen Nähe zur Beratung in das jeweilige Büro gekommen ist oder ob er in einem anderen Büro beraten werden wollte. Denn der räumliche Wirkungskreis eines Steuerberaters wird im Wesentlichen bestimmt durch die Lage seines Büros, in das sich die Mandanten zu ihrer Beratung begeben. Bei einem historisch gewachsenen Betrieb ist es jedenfalls unerheblich, wenn hinsichtlich nachträglich hinzugewonnener Mandate im Einzelfall eine eindeutige räumliche Zuordnung zu einer Praxis nicht möglich sein sollte. Dies gilt zumindest, solange die Unbestimmtheit nur einen unwesentlichen Teil der veräußerten Mandate betrifft.

Beraterhinweis: Der BFH erweitert seine bisherige Rechtsauffassung zur Teilpraxenveräußerung um eine neue Variante. Die erforderliche Selbständigkeit des veräußerten Vermögensteils (Teilbetriebs) ist danach auch dann möglich, wenn der veräußerte Teilbetrieb in seinem ursprünglich beim Erwerb vorhandenen Zuschnitt bis zu seiner Veräußerung im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden ist. Eine etwaig fehlende räumliche Trennung zwischen den beiden Teilbetrieben ist nach Ansicht des BFH dabei unschädlich.

Tatfrage: Die Frage, ob ein Praxisteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit aufweist, ist nach den objektiven Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die objektive Beweislast trägt der Steuerpflichtige. Die Entscheidung ist dabei nach den festgestellten Umständen des Einzelfalls zu treffen. Für ein Wahlrecht ist hier kein Raum.

Besonderheit Steuerberater/Wirtschaftsprüfer: Die Tätigkeiten als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind nicht generell als gleichartig anzusehen. Die Verschiedenartigkeit der Tätigkeiten reicht jedoch nicht hin, insofern auch stets von selbständigen Teilpraxen ausgehen zu können. Hinzukommen muss eine hinreichende organisatorische Trennung der beiden Tätigkeiten. Daran fehlt es z.B., wenn die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer ohne organisatorische Trennung im Rahmen der beiden Praxen als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ausgeübt wird.

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Sundern

Service: BFH v. 26.6.2012 – VIII R 22/09

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.09.2012 13:44

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