Otto Schmidt Verlag


Befreiung von der GrESt bei Erwerb durch eingetragene Lebenspartner

Es verstößt gegen den Gleichheitssatz, dass eingetragene Lebenspartner seit dem 16.2.2001 bis zum Inkrafttreten des JStG 2010 nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer gem. § 3 Nr. 3 Satz 2 und 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6 Satz 3 und Nr. 7 Satz 2 GrEStG befreit sind. Der Gesetzgeber muss bis zum 31.12.2012 für den Zeitraum vom 16.2.2001 bis 13.12.2010 eine verfassungsgemäße Regelung herbeiführen.

BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11

Der Beschluss des BVerfG beruht auf einem Vorlageersuchen des FG Münster (FG Münster v. 24.3.2011 - 8 K 2430/09 GrE, StBW 2011, 1141), das eine Entscheidung des BVerfG darüber begehrte, ob § 3 Nr. 4 GrEStG i.d.F. vor dem JStG 2010 insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als der Grundstückserwerb durch einen eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die seit 2002 als Lebenspartner eingetragenen und seit 2009 getrennt lebenden Kläger übertrugen sich im Rahmen der Auseinandersetzung wechselseitig Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien gegen die Übernahme der jeweiligen darauf lastenden Kreditschulden. Das FA setzte jeweils Grunderwerbsteuer fest.

Das BVerfG hat auf die Vorlage hin entschieden, dass die Nichtanwendung der für Ehepartner geltenden Steuerbefreiungen auf Lebenspartner im Zeitraum vom 16.2.2001 bis 13.12.2010 gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und dass der Gesetzgeber bis zum 31.12.2012 für diesen Zeitraum eine verfassungskonforme Regelung treffen muss.

Geltende Rechtslage: In § 3 Nr. 3 ff. GrEStG sind verschiedene grunderwerbsteuerbare Vorgänge von der Grunderwerbsteuer befreit, soweit hieran Ehepartner bzw. Abkömmlinge beteiligt sind. Von der Befreiung nicht erfasst wurden bis zum 13.12.2010 (§ 23 Abs. 9 GrEStG i.d.F. des JStG 2010) an diesen Vorgängen beteiligte eingetragene Lebenspartner. Erst durch das JStG 2010 hat der Gesetzgeber eingetragene Lebenspartner hinsichtlich sämtlicher für Ehegatten geltenden Befreiungen des § 3 GrEStG a.F. den Ehegatten gleichgestellt für Vorgänge ab dem 14.12.2010. Eine Rückwirkung der Neuregelung hielt der Gesetzgeber für nicht geboten, da der Grundstückserwerb frei disponibel sei. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch das FA entspricht geltendem Recht, da auch eine analoge bzw. durch verfassungskonforme Auslegung der Norm begründete Anwendung der Steuerbefreiung auf Leben-spartner nicht möglich ist.

Zivilrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnern: Eingetragene Lebenspartner wurden durch das LPartG v. 16.2.2001 Ehepartnern weitgehend gleichgestellt hinsichtlich der Begründung und Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie der persönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen.

Gleichheitsgrundsatz: Eingetragene Lebenspartner wurden bis zum 13.12.2010 im Grunderwerbsteuerrecht gegenüber Ehegatten dadurch benachteiligt, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. beim Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers für sie nicht galten. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird, wenn nicht besondere Differenzierungsgründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Grundsätze für differenzierende Regelungen: Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Freiheitsrechte reichen können. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen verschärfen sich, je weniger die Differenzierungsmerkmale für den Einzelnen verfügbar sind. Im Steuerrecht wird der weitreichende gesetzgeberische Entscheidungsspielraum weiter begrenzt durch zwei Leitlinien, nämlich das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Die mit der Wahl des Steuergegenstands einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtiger bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen hiervon bedürfen eines besonderen sachlichen Grunds.

Strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung: Hiervon ausgehend bedarf die Rechtfertigung des Ausschlusses von Lebenspartnern von der Steuerbefreiung einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung und besonderer Gründe für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, zumal der Gesetzgeber hier eine die sexuelle Orientierung von Personen betreffende Differenzierung vornimmt, da die Entscheidung des Steuerpflichtigen für eine Ehe oder Lebenspartnerschaft kaum trennbar von seiner sexuellen Orientierung ist.

Keine gewichtigen Gründe für Ungleichbehandlung: Derartige Unterschiede von hinreichendem Gewicht bestehen für § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. nicht. Die Gründe des Gesetzgebers für die Privilegierung von Ehegatten in § 3 Nr. 4 GrEStG a.F., dass für Grundstücksübertragungen u.a. zwischen Ehegatten vor allem familien- und erbrechtliche Gesichtspunkte maßgebend seien, gelten aber auch für eingetragene Lebenspartner, weil sich die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen für diese der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Annahme bei Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft infolge familien- und erbrechtlicher Gleichstellung entsprechen. Auch Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht die Ungleichbehandlung: Zwar darf der Gesetzgeber die Ehe gegenüber anderen Lebensformen begünstigen. Geht jedoch die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

Unvereinbarkeit der Steuerbefreiung mit Art. 3 GG: Die im Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ist für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären, weil eingetragene Lebenspartner in diese nur Ehegatten begünstigende Regelung nicht einbezogen waren; mit einer Nichtigerklärung kann die gebotene Einbeziehung nicht erreicht werden. Die übrigen Befreiungsvorschrif-ten in § 3 Nr. 3 Satz 2 und Satz 3, Nr. 5, Nr. 6 Satz 3 und Nr. 7 Satz 2 GrEStG a.F. sind in die Unvereinbarkeitserklärung im Interesse der Rechtsklarheit (§ 78 Satz 2 BVerfGG) einzubeziehen, da die Gründe für die dortigen Privilegierungen von Ehegatten auch für eingetragene Lebenspartner infolge der zivil- und erbrechtlichen Gleichstellung gelten.

Konsequenzen der Unvereinbarkeit: Gerichte und FÄ dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. Der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2012 rückwirkend eine Neuregelung für die vom GrEStG betroffenen Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum vom 16.2.2001 (LPartG) bis zum 13.12.2010 (Inkrafttreten des JStG 2010) beseitigt. Wegen der geringen Zahl der betroffenen Fälle ist es nicht geboten, die Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung bis zur gesetzlichen Neuregelung im Interesse einer geordneten Haushaltsplanung anzuordnen. Auch aus anderen Gründen ist es nicht geboten, dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neuregelung zu gewähren (wird näher ausgeführt).

Beraterhinweis: Der Beschluss des BVerfG zum Ausschluss von Lebenspartnern von den Steuerbefreiungen, die das GrEStG für Ehepartner vorsieht, zieht die folgerichtige Konsequenz aus den bisherigen Entscheidungen zur Gleichstellung von Lebens- mit Ehepartnern im Erbschaftsteuerrecht. Die dem Gesetzgeber aufgegebene rückwirkende Neuregelung wird allerdings nur für verfahrensrechtlich noch offene Fälle Bedeutung haben, da bestandskräftige Grunderwerbsteuerbescheide nicht mehr geändert werden können (s. § 79 Abs. 2 BVerfGG), es sei denn, der Gesetzgeber beschließt eine entsprechende Änderungsnorm. Aufgrund dieses Beschlusses ist zu erwarten, dass auch der Ausschluss von der Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer für mit dem GG unvereinbar erklärt wird.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.08.2012 10:59

zurück zur vorherigen Seite