Otto Schmidt Verlag


Kein Anspruch auf einen bestimmten rechtmäßigen Inhalt einer verbindlichen Auskunft

Das FG prüft den Inhalt einer erteilten verbindlichen Auskunft nur darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des – zutreffend erfassten – zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.

BFH v. 29.2.2012 – IX R 11/11

Der Kläger entnahm im Wirtschaftsjahr 2006/2007 aus seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zwei Grundstücke. Im Juli 2009 beantragte er eine verbindliche Auskunft zu den Rechtsfragen, ob die Bestellung eines Erbbaurechts an den beiden Grundstücken eine Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 EStG darstelle, sofern das Kaufangebot vom Kläger erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist angenommen werde und ob der Veräußerungsgewinn nach Annahme des Kaufangebots nach Ablauf dieser Frist beim Kläger als Veräußerer nicht der Einkommensteuer unterliege.

Das FA ging nach der vorgesehenen Gestaltung davon aus, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Grundstücken mit Bestellung des Erbbaurechts bereits auf den Erbbauberechtigten übergehen würde. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH hat im Ergebnis das Urteil des FG, mit dem ein Anspruch des Klägers auf eine verbindliche Auskunft mit dem von ihm begehrten Inhalt verneint worden war, bestätigt.

Verbindliche Auskunft als Steuerverwaltungsakt: Der BFH qualifiziert die verbindliche Auskunft als Steuerverwaltungsakt i.S.v. § 118 S. 1 AO unter Bezugnahme auf das zu § 42 e EStG ergangene grundlegende Urteil des BFH vom 30.4.2009 (BFH v. 30.4.2009 – VI R 54/07, BStBl. II 2010, 996).

Anfechtungs – oder Verpflichtungsklage als statthafte Klageart: Auch eine so genannte Negativauskunft enthält die Zusicherung einer bestimmten künftigen steuerlichen Behandlung und ist als Verwaltungsakt einzuordnen. Deshalb sind die verwaltungsaktbezogenen Klagen einer Anfechtungs – bzw. Verpflichtungsklage statthaft. Der BFH verneint hierfür nicht die von einzelnen Autoren verneinte notwendige Beschwer bzw. Klagebefugnis.

Gerichtliche Kontrolldichte: Die gerichtliche Kontrolldichte hängt primär von der Regelungsaussage des Verwaltungsaktes ab. Die verbindliche Auskunft regelt nach Ansicht des BFH nur, wie die Finanzbehörde eine ihr zur Prüfung gestellte hypothetische Gestaltung gegenwärtig beurteilt. Sie trifft keine, dem Steuerbescheid vorbehaltene endgültige Aussage über die materielle Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung. Bei einer Negativauskunft hängt die Art der finanzgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle von den materiell -  rechtlichen Anforderungen ab, die das FA bei der Auskunftserteilung zu wahren hat.

Die behördliche Rechtmäßigkeitsprüfung im Steuerfestsetzungsverfahren soll rechtswidrige Steuereingriffe vermeiden, während die verbindliche Auskunft eine Leistung für den Steuerpflichtigen darstellt, um ihn bei der Planung zukünftiger Gestaltungen zu unterstützen. Die erteilte verbindliche Auskunft muss jedoch den Anforderungen eines fairen rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens genügen.

Das FA hat indes keine Wahl zwischen mehreren Auskunftsalternativen. Insoweit steht ihm, anders als das FG gemeint hatte, kein Auswahlermessen zu. Vielmehr muss der Inhalt der Auskunft die nach seiner Auffassung richtige Beurteilung des zur Prüfung gestellten geplanten Sachverhalts enthalten.

Ausreichender effektiver Rechtsschutz: Art. 19 Abs. 4 GG verlangt keine strenge Rechtmäßigkeitsbindung der eine verbindliche Auskunft erteilenden Behörde und dementsprechend auch keine umfassende gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle im Vorfeld der Steuer-festsetzung. Die materielle Richtigkeit der Auskunft wird im Besteuerungsverfahren gegebenenfalls im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheids vom FG umfassend geprüft. Sie entfaltet keine Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung, wenn sie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig ist (§ 2 Abs. 1 S. 2 StAuskV). Ebenso wenig erfordert Art. 20 Abs. 3 GG im Hinblick auf die Bindung der Verwaltung an das Gesetz und nach dem damit korrespondierenden Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) eine voll inhaltliche Rechtmäßigkeitskontrolle einer verbindlichen Auskunft durch das FG.

Beraterhinweis: Das FA ist an die allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen für behördliches Handeln sowie den aus § 89 Abs. 2 AO i.V.m. §§ 1, 2  StAuskV folgenden Vorgaben gebunden. Danach hat es den Sachverhalt zutreffend zu erfassen. Entsprechend dem Zweck, dem Steuerpflichtigen Planungssicherheit zu verschaffen, darf es keine Auskunft erteilen, deren Beständigkeit im Festsetzungsverfahren von vornherein zweifelhaft ist. Die rechtliche Einordnung des zu beurteilenden Sachverhalts muss deshalb schlüssig und darf nicht evident rechtsfehlerhaft sein. Das FA kann die im Auskunftsverfahren vorgenommene Einschätzung, sofern sich anschließend die Rechtswidrigkeit herausstellt, im Besteuerungsverfahrens ex nunc aufheben oder ändern (§ 2 Abs. 3 StAuskV): Für die Beseitigung der Bestandskraft von Steuerbescheiden zieht die AO (§§ 172 ff.) weit engere Grenzen. Der Widerruf einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Zukunft ist in der Regel ermessengerecht, wenn sich der Inhalt der Auskunft als materiell-rechtlich unzutreffend und damit als rechtswidrig erweist. Der Widerruf einer rechtmäßigen Zusage bedarf hingegen einer besonderen Legitimation. Er kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sein Vertrauen noch nicht betätigt hat und außerdem kein besonderes steuerliches Interesse an der verbindlichen Auskunft darlegen kann (BFH v. 2.9.2009 – I R 20/09, BFH/NV 2010, 391). Der BFH begründet zusätzlich den Unterschied zu § 42 e EStG. Nach dieser Vorschrift hat ein Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf eine inhaltlich richtige Anrufungsauskunft, weil die Anrufungsauskunft den Arbeitgeber bei der Wahrnehmung seiner Funktion der Steuererhebung für den Staat unterstützt (BFH v. 30.4.2009 – VI R 54/07,  BStBl. II 2010,996).

Richter am BFH a.D. Dieter Steinhauff, München

Service: BFH v. 29.2.2012 – IX R 11/11

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.07.2012 10:36

zurück zur vorherigen Seite