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Schuldzinsenabzug bei Investitionsdarlehen über ein Kontokorrentkonto

Maßgebend für einen Schuldzinsenabzug i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ist ausschließlich die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel. Dabei wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, muss der Steuerpflichtige den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter nachweisen.

BFH v. 23.2.2012 – IV R 19/08

Die Klägerin (K), eine KG, erhielt drei Darlehen, deren Nennwert auf ihr Kontokorrentkonto gutgeschrieben wurden. Die für diese Darlehen aufgewendeten Schuldzinsen machte K als Betriebsausgaben geltend. Das FA kam bei der Überprüfung des Schuldzinsenabzugs zu dem Ergebnis, dass die Darlehen nicht als nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG begünstigte Investitionsdarlehen zu behandeln seien, da der in Tz. 27 des BMF-Schreibens v. 22.5.2000 (BMF v. 22.5.2000 - IV C 2 -S 2144- 60/00, BStBl. I 2000, 588) geforderte enge zeitliche und betragsmäßige Zusammenhang mit Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht festgestellt werden könne. Die Darlehensmittel seien auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlt und für laufende Betriebsmittel verbraucht worden. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und zurückverwiesen. Die Feststellungen des FG ermöglichten keine abschließende Prüfung und Entscheidung, ob und ggf. in welcher Höhe die entstandenen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG privilegiert waren.

Zweistufige Prüfung: Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen ist zweistufig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist.

Ausnahme: Der Gesetzgeber sieht lediglich in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG von diesem Grundsatz eine Ausnahme vor. Danach bleibt der Schuldzinsenabzug für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt, so dass ihr Abzug unbeschränkt möglich ist.

Tatsächlich Mittelverwendung maßgebend: Ob Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel. Auf die Mittelverwendungsabsicht des Darlehensnehmers oder eine der Darlehensvereinbarung zu Grunde liegende Zweckbindung des Darlehens kommt es nicht an.

Kontokorrentzinsen: Die vorstehenden Grundsätze sind auch für Finanzierungen über ein Kontokorrentkonto maßgebend. Werden Darlehensmittel zunächst auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überweisen, von dem sodann die Anlagegüter bezahlt werden, oder wird zunächst das Kontokorrentkonto belastet und anschließend eine Umschuldung in ein langfristiges Darlehen vorgenommen, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Finanzierungszusammenhang zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur angenommen werden, wenn ein enger zeitlicher und betragsmäßiger Zusammenhang zwischen der Belastung auf dem Kontokorrentkonto und der Darlehensaufnahme besteht.

Enger zeitlicher Zusammenhang: Einen engen zeitlichen Zusammenhang nimmt die Finanzverwaltung dabei nur an, wenn zwischen der Überweisung der Darlehensmittel auf das Konto und der Abbuchung zur Bezahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Zeitraum von nicht mehr als 30 Tagen liegt. Der Nachweis hierfür ist vom Steuerpflichtigen zu erbringen.

BFH bestätigt Rechtsauffassung: Der BFH schließt sich der Auffassung der Finanzverwaltung insoweit an, als danach eine unwiderlegbare Vermutung dafür besteht, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der entsprechende Zeitraum mehr als 30 Tage, bleibt dem Steuerpflichtigen jedoch die Möglichkeit, den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel auf ein Kontokorrentkonto und Bezahlung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Einzelfall nachzuweisen.

Beraterhinweis: Der BFH bestätigt dem Grunde nach die bisherige Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, eröffnet aber gleichzeitig die Möglichkeit, einen erforderlichen Finanzierungszusammenhang im Einzelfall nachzuweisen. Dieser Nachweis wird allerdings umso schwieriger zu führen sein, je größer die Anzahl und der Umfang der Zahlungsvorgänge auf dem Kontokorrentkonto ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, das Darlehensmittel nicht zur Finanzierung solcher Investitionen verwendet worden sein können, die bei Auszahlung der Darlehensmittel bereits abschließend finanziert waren.

Kein Fall der Umschuldung: Da es in einem solchen Fall an einer Vorfinanzierung durch ein anderes Darlehen fehlt, kann die Aufnahme eines weiteren Darlehens auch keine Umschuldung darstellen.

Aufteilung von Schuldzinsen: Ist Anlagevermögen über ein gemischtes Kontokorrentkonto finanziert worden, ist für die Berechnung der darauf entfallenden Schuldzinsen das Kontokorrentkonto entsprechend den privat veranlassten, den durch die Finanzierung von Anlagevermögen veranlassten und den durch die Finanzierung sonstiger betrieblicher Aufwendungen veranlassten Sollbuchungen rechnerisch in drei Unterkonten aufzuteilen; diesen sind die entsprechenden Sollbuchungen zuzuordnen.

Eine solche Aufteilung kann nach der Zinsstaffelmethode bzw. ggf. durch Schätzung erfolgen (BFH v. 4.7.1990 - GrS 2/88, BStBl. II 1990, 817, unter C.II.5)

Dipl.-Finw., RD, Wilfried Apitz, Arnsberg

Service: BFH v. 23.2.2012 – IV R 19/08

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.06.2012 10:53

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