Otto Schmidt Verlag


Zahlungen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Oder-Konto als freigebige Zuwendung an den anderen Ehegatten

Bei der Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) der Eheleute trägt das FA die Feststellungslast für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung (Schenkung), also auch dafür, dass der Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Sind dagegen beide Ehegatten entsprechend der Auslegungsregel des § 430 BGB zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll.

BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10

Die Klägerin (K) eröffnete in 2003 zusammen mit ihrem Ehemann E ein Direkt-Depot mit Extra-Konto, über das beide jeweils allein und unbeschränkt verfügen konnten (sog. Oder-Depot). E unterhielt bereits seit 1997 ein Konto bei einer anderen Bank, das der Anlage von Wertpapieren diente und für das K Kontovollmacht hatte; die Wertpapiergeschäfte wurden ausschließlich von E getätigt. Auf das Extra-Konto zahlte E zwischen November 2003 und Januar 2007 verschiedene Beträge (insgesamt 2.700.000 €) ein, die zum großen Teil aus einer Beteiligungsveräußerung des E und den hieraus fließenden Zinsen stammten. Mit Mitteln des Extra-Kontos kaufte E in 2003 und 2004 mit 15 Transaktionen Aktien im Wert von 1.200.000 € für das Direkt-Depot der Eheleute. In der Folgezeit fanden weitere Wertpapieran- und -verkäufe durch E statt. K hat selbst keine Geschäfte mit Wertpapieren getätigt. Von Juli 2004 bis Oktober 2007 überwies E vom Extra-Konto insgesamt 207.000 € in Teilbeträgen von 5.000 € auf sein Girokonto bei der S Bank, für das K Vollmacht hatte und das beide Ehegatten regelmäßig zur Bestreitung des gemeinsamen Lebensunterhalts nutzten. Der Kaufpreis für ein im Dezember 2006 durch E als Alleineigentümer erworbenes selbstgenutztes EFH wurde von dem Guthaben auf dem Extra-Konto beglichen. Die privaten Veräußerungsgewinne und Zinsen aus dem Extra-Konto und dem Direkt-Depot in den Jahren 2004 und 2005 wurden den Eheleuten je zur Hälfte zugerechnet. Die ESt wurde unter Verwendung des Guthabens auf dem Extra-Konto bezahlt.

Die Eheleute vereinbarten im Mai 2007schriftlich, dass sie sich jederzeit einig gewesen seien, dass der im Jahr 2004 erzielte Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Beteiligung und die in diesem Zusammenhang zugeflossenen Zinsen ausschließlich E zustehen sollten. Eine Schenkung an K sei zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen. Das FA sah die Einzahlungen auf dem Extra-Konto i.H.v. jeweils 50 % als freigebige Zuwendungen des E an K an und setzte gegen sie für die jeweiligen Schenkungen Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage, mit der das Vorliegen einer freigebigen Zuwen-dung verneint wurde, blieben ohne Erfolg.

Der BFH gab der Revision des K statt und verwies den Streit zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung: Eine Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt u.a. voraus, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann; maßgebend hierfür ist ausschließlich die Zivilrechtslage.

Freigebige Zuwendung bei Zahlung auf Oder-Konto: Die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) beider Ehegatten kann eine solche bereichernde Zuwendung an den anderen Ehegatten sein, aber nur, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist.

Verfügungsbefugnis bei Oder-Konto: Bei einem Oder-Konto sind die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger mit der Folge, dass sie im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind (§ 428, 430 BGB), soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kann einer übereinstimmenden Darstellung des Innenverhältnisses durch die Eheleute regelmäßig gefolgt werden.

Vermutungen über die Verfügungsbefugnis bei fehlender Vereinbarung: Fehlen schriftliche oder mündliche Vereinbarungen über das Innenverhältnis, ist dieses aus der tatsächlichen Handhabung des Oder-Kontos und der Mittelverwendung zu schließen. Je häufiger der nicht einzahlende Ehegatte auf das Guthaben des Oder-Kontos zugreift, um eigenes Vermögen zu schaffen, umso stärker spricht sein Verhalten dafür, dass er wie der einzahlende Ehegatte zu gleichen Teilen Berechtigter ist. Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte dagegen nur im Einzelfall einen Betrag zum Erwerb eigenen Vermögens, kann das darauf hindeuten, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten auf diesen Betrag beschränkt und nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft. Kein Indiz ist die Verwendung von Erträgen des Oder-Kontos. Maßgebend ist letztlich die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Feststellungslast bei freigebiger Zuwendung: Lässt sich trotz Mitwirkung des zur Schenkungsteuer herangezogenen Ehegatten nicht aufklären, ob ein von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichendes Innenverhältnis zwischen den Eheleuten hinsichtlich des Gemeinschaftskontos vorliegt, weil die Eheleute hierzu keine schriftliche oder mündliche Vereinbarung getroffen haben und sich aus der Handhabung des Kontos keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Alleinberechtigung eines Ehegatten beider Ehegatten ergeben, sind die Grundsätze zur Feststellungslast anzuwenden. Das FA trägt demnach die Feststellungslast dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte über das auf den Einzahlungen des anderen Ehegatten beruhende Guthaben auf dem Oder-Konto zur Hälfte tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann und damit hälftig bereichert ist. Die Feststellungslast des FA erstreckt sich deshalb auch darauf, dass die Eheleute keine von § 430 BGB abweichende Vereinbarung getroffen haben und deshalb kein Rückforderungsanspruch gegenüber dem anderen Kontoinhaber besteht. Nur dann kann der nicht einzahlende Ehegatte tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen. Gibt es allerdings hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Konto-guthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll. Allein eine Einzahlung auf dem Oder-Konto durch einen Ehegatten ist aber kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte zur Hälfte an dem eingezahlten Betrag beteiligt sein soll.

Indizien für die fehlende Alleinberechtigung: Die Verwendung des Kontos zur Bezahlung des EFH führte zu keiner Bereicherung der K, da E das EFH allein erworben hat. Soweit E mit dem Guthaben Aktien etc. für das gemeinsame Direkt-Depot gekauft hat , ist zwar K als Depotinhaberin im Verhältnis zur Bank Berechtigte gewesen. Damit steht aber nicht fest, wer Eigentümer der dort verwalteten Wertpapiere war: Die Errichtung eines Oder-Depots gibt i.d.R. über die Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren keinen Aufschluss, da beim Oder-Depot zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden ist. § 430 BGB ist nur für die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag von Bedeutung, nicht aber in Bezug auf die verwahrten Wertpapiere. Außerdem spricht gegen eine Berechtigung der K an den Wertpapieren die schriftliche Bekundung der Eheleute, dass der Veräußerungserlös aus dem Beteiligungsverkauf ausschließlich E zustehen sollten, auch wenn sie schriftlich erst später niedergelegt wurde. Die Lebenserfahrung spricht jedenfalls nicht generell dafür, dass ein Ehegatte den Veräußerungspreis aus dem Verkauf seiner Beteiligung durch die Einzahlung auf ein Oder-Konto zu einem erheblichen Teil dem anderen Ehegatten freigebig zuwenden will. Die laufenden Überweisungen auf das Girokonto des E bei der S-Bank dienten der Bestreitung der Lebenshaltungskosten der Eheleute und nicht dem Aufbau eigenen Vermögens der K. Sie sind deshalb kein Indiz für eine im Verhältnis zu E bestehende Mitberechtigung der K am Guthaben auf dem Extra-Konto.

Nachzuholende Feststellungen: Das FG wird die noch fehlenden Feststellungen zur vorhandenen oder fehlenden Alleinberechtigung der K nachzuholen haben. Ergeben sich nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen keine hinreichend deutlichen und gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass K zur Hälfte an dem gesamten von E eingezahlten Kontoguthaben beteiligt war, trägt das FA die Feststellungslast für das Vorhandensein der Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung.

Beraterhinweis: Das Urteil stellt wichtige Merkmale auf, nach denen sich entscheidet, ob die Einzahlungen des einen Ehegatten auf deren Gemeinschaftskonto als steuerpflichtige freigebige Zuwendung anzusehen ist oder nicht. Entscheidend ist die Gestaltung des Innenverhältnisses: Bei hohen Einzahlungen, die im Laufe von 10 Jahren den persönlichen Freibetrag von 500.000 € überschreiten, sollte daher zur Vermeidung von Auseinandersetzungen mit dem FA klar vereinbart werden, dass die Verfügungsbefugnis über diese Beträge allein dem Einzahlenden zusteht bzw. dass keine Schenkung beabsichtigt ist.

RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Service: BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.04.2012 14:05

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