Otto Schmidt Verlag


Pflicht zur elektronischen Übermittlung von USt-Voranmeldungen

Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine USt-Voranmeldungen dem FA grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß. Beantragt der Unternehmer, zur Vermeidung von unbilligen Härten die USt-Voranmeldungen (weiterhin) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, muss das FA diesem Antrag entsprechen, wenn dem Unternehmer die elektronische Datenübermittlung der USt-Voranmeldungen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.

BFH v. 14.3.2012 - XI R 33/09

Bei der Klägerin (K) handelte es sich um eine konzernangehörige GmbH & Co. KG. Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin (der GmbH) waren die betagten Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Im Dezember 2004 beantragte K, ihre USt-Voranmeldungen auch zukünftig in Papierform - anstatt in elektronischer Form - abgeben zu dürfen, denn ihre Buchhaltung verfüge nicht über die erforderliche Hard- und Software, außerdem könne die Sachbearbeitung nicht mit einem PC umgehen. Das FA lehnte den Antrag ab, da seiner Ansicht nach kein Härtefall i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO gegeben war. Die Revision der K war unbegründet. Das FA hat K jedoch unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH erneut zu bescheiden.

Rechtslage: K ging davon aus, dass das FA ihr aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null hätte gestatten müssen, ihre USt-Voranmeldungen auch weiterhin in Papierform abzugeben. Wird eine Ermessensreduzierung auf Null geltend gemacht, so kommt es auf die Sach- und Rechtslage an, die zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestand. Somit waren die ab dem 1.1.2009 geltenden Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO zugrunde zu legen. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer die USt-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln. Zur Vermeidung von unbilligen Härten kann das FA gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG auf Antrag auf eine elektronische Übermittlung verzichten.

Verfassungsmäßigkeit: Der BFH betrachtete die Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO als verfassungsgemäß. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung führt zur Verwaltungsvereinfachung sowie zur Kostenersparnis und verbessert die Überprüfungsmöglichkeiten von USt-Voranmeldungen und beschleunigt die Auswertung. Dies dient nach Ansicht des Senats u.a. der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs.

Verhältnismäßigkeit: Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung verstößt nach Ansicht des BFH auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hinsichtlich der Zumutbarkeit verwies der Senat auf die Härtefallregelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG. Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass das FA in den Fällen des § 150 Abs. 8 AO - d.h. wenn eine elektronische Übermittlung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist - abweichend von § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG keinen Ermessensspielraum hat. Stattdessen hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung. Eine Unzumutbarkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die erforderliche technische Ausstattung fehlt und der Steuerpflichtige diese nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand beschaffen könnte oder wenn der Steuerpflichtige aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht oder nur eingeschränkt zu einer elektronischen Abgabe in der Lage ist.

Keine Unzumutbarkeit: Im Urteilsfall war die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nach Ansicht des BFH nicht wirtschaftlich unzumutbar. Eine persönliche Unzumutbarkeit kam nicht in Frage, weil zumindest bei zwei der vier Geschäftsführer ausreichende technische Kenntnisse angenommen werden konnten.

Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung: Mangels einer Unzumutbarkeit i.S.d. § 150 Abs. 8 AO blieb K nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag. Hierbei hätte das FA aber berücksichtigen müssen, dass K nicht über die notwendige technische Ausstattung verfügte. Einen Verweis der K auf die technische Ausstattung anderer "Konzerngesellschaften" hielt der BFH nicht für zulässig, denn bei K und den "Konzerngesellschaften" habe es sich um jeweils selbständige Rechtssubjekte gehandelt.

Beraterhinweis: Mit diesem Urteil ebnet der BFH der sog. Elektronifizierung der Steuerverwaltung den Weg. Die Entscheidung dürfte nicht nur für die elektronische Übermittlung von USt-Voranmeldungen, sondern auch für die ab dem VZ 2011 gem. § 18 Abs. 3 UStG bestehende Pflicht zur Abgabe elektronischer USt-Erklärungen relevant sein. Der BFH macht deutlich, dass bei Vorliegen einer wirtschaftlichen oder persönlichen Unzumutbarkeit i.S.d. § 150 Abs. 8 UStG von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist. Die Beweislast hierfür liegt beim Steuerpflichtigen. Lehnt das FA einen Antrag nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG ab, sind konkrete Ermessenserwägungen notwendig. Zu berücksichtigen sind dabei u.a. die persönliche Situation des Unternehmers, dessen Umsätze und Gewinne sowie die erforderlichen Kosten für eine elektronische Übermittlung (FG Niedersachsen v. 20.10.2009 - 5 K 149/05, EFG 2010, 277).

RA Hildegard Billig, Düsseldorf

Service BFH v. 14.3.2012 - XI R 33/09

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.04.2012 09:51

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