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Gewinne ausschütten oder mit verkaufen? – Eine ökonomische Analyse (Bartsch, FR 2024, 363)

Anteilseigner von Kapitalgesellschaften stehen bei einer Veräußerung ihrer Anteile vor der Frage, ob sie Gewinne der Gesellschaft noch ausschütten oder die Anteile mit den aufgelaufenen Gewinnen veräußern sollten. Dieser Beitrag untersucht die Steuerwirkungen einer Veräußerung mit Gewinnausschüttung im Vergleich zu einer Veräußerung ohne Gewinnausschüttung. Für Veräußerer, bei denen Dividenden der Abgeltungsteuer, Veräußerungsgewinne aber dem Teileinkünfteverfahren unterworfen sind, wirken unterschiedliche Steuerbefreiungen, Steuertarife und Progressionseffekte auf die Steuerbelastung ein. Durch Modellierung werden für solche Veräußerer die Bedingungen herausgearbeitet, unter denen die richtige Kombination aus Dividende und Veräußerungsgewinn zu relevanten Steuerersparnissen führt.


1. Einführung

1.1. Problemstellung und Forschungsfrage

1.2. Gang der Untersuchung

2. Steuerrechtlicher Rahmen

2.1. BFH: Zivilrechtliche Grundsätze maßgeblich

2.2. Ausschüttung als Kapitalertrag oder Einlagenrückgewähr?

2.3. Kapitalgesellschaften als Anteilseigner

2.4. Natürliche Personen als Anteilseigner

2.5. Zwischenergebnis

3. Ökonomisches Model

3.1. Entscheidungssituation

3.2. Modelldesign

3.3. Formalisierung der Steuerwirkungen

3.4. Entscheidungskriterium und steuerliches Optimum

4. Ökonomische Analyse

4.1. Modell ohne andere Einkünfte

4.1.1. Ausgangslage

4.1.2. Steuersatzvergleich

4.1.3. Anwendung des Entscheidungskriteriums

4.1.4. Grenzsteuersätze

4.1.5. Steuerliches Optimum

4.2. Erweiterung um andere Einkünfte

4.2.1. Relevante Einkunftsgrenzen

4.2.2. Differenzsteuersätze

4.2.3. Veränderungen des Entscheidungskriteriums

4.2.4. Grenzsteuersätze

4.3. Ergebnis

5. Zusammenfassung


1. Einführung

1.1. Problemstellung und Forschungsfrage


Möchte ein Verkäufer die bis zum wirtschaftlichen Stichtag der Anteilsübertragung auf seinen Anteil entfallenden Gewinne des Unternehmens vereinnahmen, führt eine Ausschüttung dieser Gewinne an ihn nach Ablauf des Geschäftsjahres der Veräußerung zu einer doppelten Steuerbelastung. Der Erwerber als neuer Anteilseigner muss die Ausschüttung versteuern, auch wenn er sich verpflichtet hat, sie an den Veräußerer weiterzuleiten, und zugleich erhöht die Ausschüttung beim Veräußerer den erzielten Veräußerungsgewinn. Diese Doppelbelastung wird in der Praxis des Unternehmenskaufs durch Mitveräußerung der Gewinne oder Vorabausschüttung vor der Anteilsveräußerung vermieden.

Die jüngste Rechtsprechung des BFH zu inkongruenten Gewinnausschüttungen erweitert den Gestaltungsspielraum für Anteilsveräußerer nunmehr erheblich. Von einer kongruenten (Vorab-)Ausschüttung an alle Gesellschafter kann steuerwirksam abgewichen und durch zeitliche Streckung noch eine Zuordnung zum Verkäufer erreicht werden. In der Literatur werden die Urteile in mehreren Beiträgen aus rechtlicher Sicht kommentiert und begrüßt. Die sich für eine Anteilsveräußerung ergebenden Gestaltungsoptionen werden vereinzelt thematisiert, allerdings ohne deren ökonomische Aspekte näher zu beleuchten.

Aus diesem Anlass soll in diesem Beitrag die Forschungsfrage untersucht werden, unter welchen Bedingungen es für den Veräußerer von Kapitalgesellschaftsanteilen steuerlich günstiger ist, Gesellschaftsgewinne auszuschütten, anstatt die Gewinne mit den Anteilen zu veräußern. Insbesondere sollen die Vorteile einer Kombination der Steuerbefreiungen im Teileinkünfteverfahren (TEV) mit dem gesonderten Steuertarif der Abgeltungsteuer untersucht werden. Dies betrifft Anteilseigner, die eine Beteiligung von mindestens 1 % im steuerlichen Privatvermögen halten. Die Untersuchung beschränkt sich auf inländische Sachverhalte, bei denen Deutschland ein unbeschränktes Besteuerungsrecht ausüben kann.

Bisher veröffentlichte Untersuchungen zum ökonomischen Vergleich der Abgeltungsteuer mit dem TEV beziehen sich nur auf deren alternative Anwendung bei der Besteuerung von Dividendenausschüttungen. Für die Kombination beider Systeme in einer Veräußerungssituation soll mit diesem Beitrag eine Forschungslücke geschlossen werden.

1.2. Gang der Untersuchung

Zunächst wird im zweiten Abschnitt der für die Untersuchung relevante steuerrechtliche Rahmen für Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen umrissen. Dabei sind Sachverhalte, bei denen die Besteuerung entweder einer Gewinnausschüttung oder einer Veräußerung in allen Konstellationen günstiger ist (jeweils eine dominante Alternative) von dem Fall zu unterscheiden, bei dem die Vorteilhaftigkeit einer Alternative von der Höhe der Gewinnausschüttung und des Veräußerungsgewinns abhängig ist. Für die Fälle mit dominanten Alternativen kann die Forschungsfrage unmittelbar beantwortet werden. Für den verbleibenden Fall von natürlichen Personen, die mit Dividenden der Abgeltungsteuer, aber mit Veräußerungsgewinnen dem Teileinkünfteverfahren (TEV) unterliegen, wird im dritten Abschnitt ein ökonomisches Modell entwickelt, aus dem im vierten Abschnitt mit einer taxografischen Analyse die optimalen Kombinationen aus beiden Systemen identifiziert werden sollen. Die Ergebnisse werden im abschließenden fünften Abschnitt zusammengefasst.

2. Steuerrechtlicher Rahmen

2.1. BFH: Zivilrechtliche Grundsätze maßgeblich


Die Rechtsprechung des BFH erkennt zivilrechtlich8 wirksame Vorabausschüttungen mit inkongruenter Gewinnverteilung 9 sowie Ausschüttungen mit zeitlich inkongruenter Gewinnverwendung 10 auch steuerlich an. Weiterhin hat der BFH bei einer zeitlichen Streckung von Gewinnverteilungs- und -verwendungsbeschluss über den Übertragungsstichtag einer Anteilsveräußerung den Dividendenertrag (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.04.2024 14:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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