Otto Schmidt Verlag


Aktuell in der Ubg

Kreditnebenkosten im Ertragsteuerrecht (Ettinger, Ubg 2024, 17)

Dieser Beitrag analysiert insbesondere den aktuellen Beschluss des BFH vom 22.3.2023 – XI R 45/19 zur Zinsschranke und damit zur steuerlichen Behandlung von Kreditnebenkosten am konkreten Beispiel einer „arrangement fee“ und setzt es in den Kontext früherer BFH-Urteile. Autorenseitig wurde die Entscheidung mit Spannung erwartet. Ob sie die Erwartungen erfüllt hat, wird ebenfalls dargelegt.


I. Einleitung

II. BFH, Urteil des Großen Senats vom 6.12.1965

III. BFH-Beschluss vom 22.3.2023

1. Leitsatz 1

2. Leitsatz 2

IV. Zusammenfassung


I. Einleitung

Aus den Urteilen RFH vom 13.9.1938 und vom 5.4.1939, des BFH vom 19.1.1978, vom 9.8.2000, vom 22.6.2011, vom 21.5.2014 sowie des FG Münster vom 12.4.2019 hat der Verfasser folgende Übersicht abgeleitet:




Abb. 1: Entscheidungsbaum zu der Frage, ob ein Entgelt einen „Zins“, also eine Fremdkapitalvergütung im ertragsteuerlichen Sinn, darstellt

Weiter wurde dargelegt, dass sich aus diesen Urteilen folgende Wertungswidersprüche in der Rechtsprechung ableiten lassen:

  • Können nicht prozentual bemessene Entgelte Zinsen im Sinne des Ertragsteuerrechts sein?
  • Können einmalige, nicht erstattbare Entgelte Zinsen im Sinne des Ertragsteuerrechts sein?
  • Ist der Konsortialführer Darlehensgeber eines Innenkonsortiums?


Der Verfasser schlussfolgerte u.a., dass die besondere Herausforderung für Unternehmen ist, die über die Kreditgewährung hinausgehende besondere Leistung des Kreditgebers darzulegen, damit Vergütungen nicht als „Zinsen“ zu qualifizieren sind. Die Regelungen in den Gewerbesteuer-Richtlinien wurden nahezu vollständig aus den vorstehend genannten Urteilen abgeleitet. Der Verfasser formulierte zudem im Hinblick auf das BFH-Verfahren XI R 45/19 durchaus die Hoffnung, dass das (vermeintliche) Entscheidungswirrwarr der Kreditnebenkosten ertragsteuerlich gelöst würde.

Im Folgenden wird die vorstehende Rechtsprechungsübersicht um zwei Entscheidungen ergänzt – zum einen um ein älteres Urteil des Großen Senats vom 6.12.1965, zum anderen um den aktuellen Beschluss des BFH vom 22.3.2023 zur Zinsschranke.

II. BFH, Urteil des Großen Senats vom 6.12.1965

Rechtsfrage vor dem Großen Senat war, ob (bei Vermietung und Verpachtung) ein Damnum im Jahr der Zahlung oder über die Laufzeit abzugsfähig ist. Der Große Senat führte u.a. aus:

„Für diese Beurteilung sprechen auch folgende Erwägungen: Das Damnum kann darauf zurückzuführen sein, daß den Kreditinstituten bei der eigenen Geldbeschaffung Aufwendungen (Emissionskosten, Provisionen) und Einbußen (Disagio) entstanden sind, die durch den laufenden Zins nicht gedeckt werden und deshalb durch eine einmalige besondere Vergütung des Darlehnsnehmers ausgeglichen werden sollen. Es ist wirtschaftlich verständlich, wenn diese Vergütung sofort bei Auszahlung des vereinbarten Darlehens zu leisten ist. Denn es handelt sich um die Abdeckung von Kosten, die dem Kreditgeber bereits entstanden sind und nicht erst im Laufe der Zeit erwachsen. Aber auch soweit das Damnum wirtschaftlich einen zusätzlichen Zins darstellt, erhält der Darlehnsgeber diese wirtschaftlichen Vorteile bereits bei Hingabe des Darlehens [...] Der technische Verrechnungsvorgang – Auszahlung des um das Damnum gekürzten Darlehnsbetrags – kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß wirtschaftlich die Parteien den zurückzuzahlenden Nennbetrag des Darlehens als gewährt und die besondere Vergütung des Schuldners als aus dem Darlehen geleistet ansehen.“

Folglich wurde das Damnum als sofort abzugsfähige Werbungskosten berücksichtigt. Die zitierten Ausführungen belegen jedoch auch eindeutig, dass der Große Senat das Damnum wirtschaftlich den Zinsen zurechnet. Bemerkenswert ist zudem, dass der Große Senat sich nicht daran stört, dass das Damnum kostenorientiert ist; eine prozentuale Orientierung am Darlehen erscheint vollkommen irrelevant.

Obwohl es sich um ein Urteil zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung handelt, hat es Auswirkungen auf Unternehmen, also gewerbliche Einkünfte. Denn mit Urteil vom 29.11.2006 hat der BFH die Entscheidung des Großen Senats inhaltlich faktisch auf eine Kapitalgesellschaft, also gewerbliche Einkünfte, zur Rechnungsabgrenzung übertragen:

„Daher stellt das Disagio wirtschaftlich ein Mittel zur Feineinstellung des Zinses im Sinne einer zusätzlich geleisteten Vergütung für die Kapitalüberlassung dar, die die in Form laufender Zinsen gewährte Vergütung im Ergebnis korrigiert und damit Teil des Effektivzinses ist...“.

Da der BFH in einer späteren Entscheidung die Beurteilung von Fremdkapitalvergütungen für Zwecke der Gewerbesteuer und Rechnungsabgrenzung in gewisser Weise vereinheitlicht und sich von den Urteilen nicht distanziert hat, kann man konstatieren, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.01.2024 14:11
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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