Otto Schmidt Verlag


Anerkennung von Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen

Verträge zwischen nahen Angehörigen sind steuerlich anzuerkennen, wenn sie einem Fremdvergleich standhalten. An den Fremdvergleich sind jedoch in den Fällen weniger strikte Maßstäbe anzulegen, wenn anstelle des Angehörigen ein fremder Dritter hätte eingestellt werden müssen. Unbezahlt geleistete Mehrarbeit ist jedenfalls dann ertragsteuerlich in diesem Zusammenhang unbeachtlich, wenn die vereinbarte Arbeitsleistung erbracht worden ist.

BFH v. 17.7.2013 – X R 31/12

Der Kläger (K) betrieb in den Streitjahren 2005 bis 2007 eine stetig wachsende Werbeagentur als Einzelunternehmer. Zunächst ab Januar 2005 schloss er mit seinem Vater, einem Frührentner, und einen Monat später auch mit seiner Mutter Arbeitsverträge über zu leistende Bürohilfstätigkeiten im Umfang von 10 bzw. 20 Wochenstunden ab. Das Beschäftigungsverhältnis mit seiner Mutter stockte K ab August 2005 auf, so dass es regulär sozialversicherungspflichtig wurde. Das FA versagte im Anschluss an eine Außenprüfung den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung, es seien keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden geführt worden. Das Finanzgericht bestätigte diese Auffassung und führte aus, die Arbeitsverträge seien nicht entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden, weil beide Elternteile tatsächlich mehr als die vertraglich festgelegten 10 bzw. 20 Wochenstunden gearbeitet hätten und fremde Arbeitnehmer sich darauf nicht eingelassen hätten.Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück verwiesen.
Ertragsteuerliche Anerkennung: Entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten für die Beurteilung maßgebend, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung veranlasst oder durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen motiviert sind. Grundsätzlich müssen die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Geringfügige Abweichungen schließen jedoch nicht mehr die ertragsteuerliche Anerkennung aus.
Arbeitsverhältnisse mit nahen Angehörigen: Voraussetzung für die Abziehbarkeit des Lohnaufwands als Betriebsausgaben ist, dass der Angehörige aufgrund eines wirksamen, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechenden Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt.
Fremdvergleich: Die Intensität der insoweit erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit der Vertragsbedingungen ist u.a. vom Anlass des Vertragsschlusses abhängig. Der Fremdvergleich ist vor allem dann sehr strikt durchzuführen, wenn der Angehörige für solche Tätigkeiten eingestellt wird, die üblicherweise vom Steuerpflichtigen selbst oder unentgeltlich von Familienangehörigen erledigt werden. Hätte der Steuerpflichtige im Falle der Nichtbeschäftigung seines Angehörigen jedoch einen fremden Dritten einstellen müssen, ist der Fremdvergleich weniger strikt durchzuführen.
Geleistete Mehrarbeit: Maßgeblich ist zunächst, dass der Angehörigen-Arbeitnehmer die arbeitsvertraglichen Dienste tatsächlich geleistet hat. Dies ist im Urteilsfall gegeben. Die durch Mehrarbeit eingetretene Übererfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht ist für die ertragsteuerliche Anerkennung selbst dann unschädlich, wenn die Mehrarbeit durch das Näheverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Angehörigen veranlasst gewesen ist. Die freiwillige Mehrarbeit kann insoweit aus dem Arbeitsverhältnis abgespalten und der familiären Nähebeziehung zugeordnet werden, ohne dass sich daraus in Bezug auf die ertragsteuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses nachteilige Konsequenzen für den Steuerpflichtigen ergeben. Ergänzend weist der BFH hier noch darauf hin, dass erhebliche unbezahlte Mehrarbeit in bestimmten Branchen auch unter fremden Dritten nicht unüblich ist.
Vergleichbarkeit mit Unterbezahlungsfällen: Nach Auffassung des BFH sind die Fälle der freiwilligen unbezahlten Mehrarbeit vergleichbar mit Fällen einer deutlich unterhalb des Fremdvergleichslohns liegenden Vergütung. In beiden Gestaltungen hält der tatsächliche Stundenlohn einem Fremdvergleich nicht stand. Soweit jedoch tatsächlich Arbeit geleistet und hierfür Lohn gezahlt worden ist, handelt es sich in beiden Fallgestaltungen um abzugsfähige Betriebsausgaben.
Letztlich ist entscheidend, dass das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht in einem solchen Ausmaß gestört ist, dass ein Rechtsbindungswillen der Arbeitsvertragsparteien zu verneinen wäre.
Fehlende Arbeitszeitnachweise: Arbeitszeitaufzeichnungen haben nach übereinstimmender Auffassung von BVerfG und BFH nicht den Rang eines Tatbestandsmerkmals. Insbesondere bei vereinbarten Hilfstätigkeiten von untergeordneter Bedeutung ist es fremdüblich, dass diese nur nach Weisung des Arbeitgebers durchgeführt und daher nicht im Einzelnen vertraglich vereinbart sind.
Im Streitfall sind die insoweit fehlenden Aufzeichnungen nicht im Rahmen des Fremdvergleichs, sondern nur für die Frage, ob tatsächlich Arbeit in dem vertraglich vereinbarten Umfang erbracht worden ist, von Bedeutung. Nach den Feststellungen des FG haben die Eltern im Urteilsfall tatsächlich mehr als die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden geleistet, so dass es keines weiteren Nachweises durch Aufzeichnungen bedarf.
Nach alledem ist der mit dem Vater geschlossene Arbeitsvertrag ernsthaft vereinbart und durchgeführt, so dass er ertragsteuerlich anzuerkennen ist.
Zurückverweisung: Jedoch sind die Feststellungen des FG in Bezug auf den mit der Mutter geschlossenen Arbeitsvertrag widersprüchlich, da einerseits ausgeführt wird, die Mutter habe erhebliche Mehrarbeit geleistet, andererseits aber in Zweifel gezogen wird, dass die Mutter überhaupt im vereinbarten zeitlichen Umfang im Betrieb gearbeitet habe. Das FG hat daher diesbezüglich belastbare Feststellungen nachzuholen. Tatsächlich festgestellte Mehrarbeit wäre hierbei nach Auffassung des BFH unschädlich, wohingegen Konsequenzen in Abhängigkeit vom Ausmaß der tatsächlich unterhalb der vereinbarten Arbeitszeit geleisteten Arbeitsstunden zu ziehen wären. Sollte der Umfang der erbrachten Arbeitsleistungen nicht aufklärbar sein, hätte der Kläger, der die Feststellungslast für den Betriebsausgabenabzug trägt, mit seinen Arbeitnehmern aber nicht die Führung von Arbeitszeitnachweisen vereinbart hat, die Folgen der Unaufklärbarkeit zu tragen.

Beraterhinweis: Nach Auffassung des BFH führt die von nahen Angehörigen tatsächlich erbrachte unbezahlte Mehrarbeit nicht zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs der Lohnaufwendungen. Maßgeblich ist hier – wie auch in anderen Fällen von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen – dass (zumindest) die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung tatsächlich erbracht worden ist. Um insoweit auf der sicheren Seite zu sein, ist der Arbeitsumfang durch Arbeitszeitaufzeichnungen nachzuweisen. Das Fehlen derartiger Aufzeichnungen ist zwar in den Fällen unschädlich, in denen die vertragsgemäße Erfüllung unstreitig ist, in allen übrigen Fällen hat jedoch der Steuerpflichtige die Folgen der Unaufklärbarkeit zu tragen, die darin bestehen, dass der Betriebsausgabenabzug für den Lohnaufwand nicht gewährt wird.
Dipl.-Finw. Julia Schanko, St. Tönis

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.10.2013 09:41

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