Otto Schmidt Verlag


Abzug von Strafverteidigungskosten

Die einem wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilten Steuerpflichtigen entstandenen Kosten seiner Strafverteidigung sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

BFH v. 16.4.2013 – IX R 5/12

Streitig war, ob die Aufwendungen, die einem wegen einer vorsätzlichen Tat Verurteilten für seine Strafverteidigung entstanden sind, steuermindernd berücksichtigt werden können.

Der Kläger (K) war rechtskräftig wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Mit den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte K die Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend, und zwar für 2007 i.H.v. 49.033 € und für 2008 i.H.v. 157.735 €. Hilfsweise bat K die Kosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das FA lehnte eine steuermindernde Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten ab. 

Die Vorinstanz (FG Hamburg v. 14.12.2011 – 2 K 6/11, EFG 2012, 925) wies die Klage ab. Die Revision des Klägers vor dem BFH blieb ohne Erfolg.

Rechtsprechungsänderung des VI. Senats zu den Zivilprozesskosten: Mit Urteil vom 12.5.2011 (BFH v. 12.5.2011 - VI R 42/10, StBW 2011, 678) hat der VI. Senat des BFH entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Ein Abzug kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Vielmehr muss die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Davon ist nach Ansicht des VI. Senats auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg ist. Beachten Sie: Auf diese Entscheidung reagierte die Verwaltung mit einem Nichtanwendungserlass (BMF v. 20.12.2011). Zudem wurde mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz § 33 Abs. 2 EStG um einen Satz 4 mit folgendem Wortlaut ergänzt: „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können”. Diese gesetzliche Neuregelung ist ab dem VZ 2013 anzuwenden.

Anwendung der Entscheidung auf Strafverteidigungskosten: Nach Ansicht der Richter des IX. Senat fehlte es im entschiedenen Fall bereits an der Unausweichlichkeit der Aufwendungen. Die Strafverteidigungskosten hat K gerade wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zu tragen. Im Strafprozess entstehen Kosten nur dem sanktionierten Straftäter und demjenigen, der für seine erfolgreiche Verteidigung mehr ausgegeben hat, als er vom Staat erstattet bekommt. Mit der Verurteilung steht in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise fest, dass K die entsprechenden Straftaten begangen hat. Diese Straftat ist natürlich nicht unausweichlich. Der Täter durfte sie nicht begehen. Schon damit wären auch die Kosten, die ihm durch eine Einflussnahme auf seine Verurteilung entstanden, nicht unausweichlich.

Beachten Sie: Der Begründungsansatz des VI. Senats zu den Zivilprozesskosten, der Steuerpflichtige könne den Prozesskosten wegen des staatlichen Gewaltmonopols, dessen er sich bedienen müsse, nicht ausweichen, trägt im Strafverfahren auch deshalb nicht, weil es gerade nicht um Situationen geht, in denen der Steuerpflichtige keine andere Wahl hat, als zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Gerichte zurückzugreifen, sondern um den umgekehrten Fall: der Beschuldigte, der wissentlich und vorwerfbar gegen die strafbewehrten Regeln des Gemeinwesens verstößt, hat den daraus resultierenden staatlichen Eingriff zu dulden. Soweit seine Rechtsunterworfenheit neben der verhängten Strafe auch zu Kosten führt, hat der Verurteilte diese durch sein Verhalten selbst verursacht und sie deshalb ebenso zu tragen wie er den von ihm verursachten Schaden gegenüber seinem Opfer wiedergutzumachen hat. Es ist nicht Zweck des Abzugs außergewöhnlicher Belastungen, dem Steuerpflichtigen die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich ein übernommenes Risiko realisiert (BFH v. 18.3.2004 - III R 24/03, EStB 2004, 322 und v. 27.8.2008 - III R 50/06, BFH/NV 2009, 553).

Beraterhinweis: Nach Ansicht des IX. Senats wiesen die streitbefangenen Strafverteidigungskosten auch keinen hinreichenden Veranlassungszusammenhang zu einer steuerbaren Tätigkeit des K auf, der einen Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten rechtfertigen konnte. Beachten Sie: Strafverteidigungskosten sind nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist (BFH v. 18.10.2007 - VI R 42/04, EStB 2008, 12). Dies ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH v. 13.12.1994 - VIII R 34/93, BStBl. II 1995, 457). Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH v. 12.6.2002 - XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441). Mithin kommt ein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug nur bei einer eindeutig der steuerbaren beruflichen Sphäre zuzuordnenden Tat in Betracht.

Dipl.-Finw. Martin Hilbertz, Neuwied

Service: BFH v. 16.4.2013 – IX R 5/12

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.09.2013 16:57

zurück zur vorherigen Seite