Otto Schmidt Verlag


EuGH-Vorlage zur Lieferung von Zytostatika durch einen Krankenhausträger für im Krankenhaus ambulant erbrachte Heilbehandlungen

Zum Begriff des mit einer Krankenhausbehandlung und einer ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatzes i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der RL 77/388/EWG (Art. 132 Abs. 1 b MwStSystRL): (1) Muss es sich bei dem eng verbundenen Umsatz um eine Dienstleistung gem. Art. 6 Abs. 1 der RL 77/388/EWG (Art. 24, 25 MwStSystRL) handeln? (2) Falls Frage 1 zu verneinen ist: Liegt ein mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz nur vor, wenn dieser Umsatz durch denselben Steuerpflichtigen erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung erbringt? (3) Falls Frage 2 zu verneinen ist: Liegt ein eng verbundener Umsatz auch dann vor, wenn die Heilbehandlung nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der RL 77/388/EWG, sondern nach Buchst. c dieser Bestimmung steuerfrei ist?

BFH v. 15.5.2012 – V R 19/11

Die Klägerin (K) betrieb ein Krankenhaus mit stationärer und ambulanter Versorgung von Krebspatienten. Letztere erfolgte zum Teil durch das Krankenhaus selbst, zum Teil durch deren Ärzte. Die von K hergestellten Zytostatika wurden sowohl für die stationär untergebrachte Patienten als auch für ambulant im Krankenhaus der K erbrachten Heilbehandlungsleistungen verwendet. K ging davon aus, dass die Abgabe der in ihrer Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für alle Patienten steuerfrei sei. Das FA vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, dass nur diejenigen Zytostatika, welche an stationär behandelte Patienten abgegeben wurden, steuerfrei belassen werden dürfen.

Das FG gab der Klage statt. Der BFH sieht europarechtliche Fragen als vorrangig an.

Ausgangsüberlegung: Als mit dem Betrieb von Kran-kenhäusern eng verbundene Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG sind die "Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" gem. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der RL 77/388/EWG (Art. 132 Abs. 1 b MwStSystRL) anzusehen.

Eng verbundene Umsätze: Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen Leistungen nur dann unter den in RL/77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b (Art. 132 Abs. 1 b MwStSystRL) enthaltenen Begriff der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung „eng verbundenen Umsätze”, wenn sie tatsächlich als Nebenleistungen zu einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heil-behandlung ihrer Empfänger, die die Hauptleistung darstellt, erbracht werden.

Leistungspaket: Sofern ambulante Leistungen nicht durch das Krankenhaus selbst, sondern durch dort angestellte Ärzte erbracht werden, welche anlässlich der Behandlung auf Zytostatika des Krankenhauses zurückgreifen, ergibt sich aus Sicht des Patienten zwar eine „einheitliche Behandlungsleistung“, welche jedoch von unterschiedlichen Unternehmern erbracht wird.

Krankenhausärzte: Nach Auffassung des BFH fallen die Leistungen von Krankenhausärzten nicht unter Buchstabe b), sondern unter Buchstabe c) von § 4 Nr. 16 UStG. Diese Norm umfasst jedoch nach ihrem Wortlaut keine „eng verbundene Umsätze“. Zu einer Steuerbefreiung kommt man für solche Fälle nur, wenn man entweder „eng verbundene Umsätze“ einbezieht oder nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung die Verwendung von Zytostatika als unselbstständige Nebenleistung zur Behandlungsleistung einordnet.

Beraterhinweis: Aus Beratersicht könnte man den Vorlagebeschluss – zumindest bezüglich der ersten Vorlagefrage - in die Kategorie „Arbeitsbeschaffung“ für den EuGH einordnen. Denn die Frage, ob der Gesetzeswortlaut „eng verbundene Umsätze“ auf „eng verbundene Dienstleistungen“ reduziert werden darf, erscheint nicht wirklich klärungsbedürftig. Mit Spannung darf man hingegen der Frage entgegen sehen, ob eine „einheitliche Leistung“ auch auf zwei leistende Unternehmer aufgeteilt werden kann. Dass ein Krebspatient weder Interesse an der Behandlung ohne Medizin, noch Interesse an der Medizin ohne Behandlung hat, dürfte offenkundig sein. Auch das formulierte Ziel der Steuerbefreiung, nämlich die Krankenkassen zu entlasten, spricht für die Gewährung der Steuerbefreiung. In gleich gelagerten Fällen ist somit ein Rechtsbehelfsverfahren geboten. Hierbei kann Aussetzung der Vollziehung beansprucht werden.

Dipl.-Finw. StB Wolfgang Damaschke, Duisburg

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.08.2012 16:49

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